Von Motorrad 3/1989
ATEMGOLD
Fahrbericht Kawasaki ZXR 750
Nicht nur durch die dicken Luftschläuche weht ein frischer Atem. Mit der ZXR 750 bietet Kawasaki seiner Sportgemeinde ein wohlschmeckendes Bonbon an.
Von Norbert Kappes, Fotos: gad
Der Sound wird schnell kraftvoll, hart und bissig zugleich, im Unterton ein wenig heiser. Wie ein Schatten huscht die giftgrüne Kawasaki, ihr Fahrer hinter der Vollverkleidung des Supersportlers zusammengekauert, auf der Start- und Zielgeraden des Rennkurses an mir vorüber. Am Hinterrad klebt eine Gischtfontäne. Der Vierzylinder röhrt gedämpft, aber auf vollen Touren. Es ist ein markanter Sound, der bald in den Zuschauertribünen verhallt, an den wir uns aber schon in naher Zukunff gewöhnen dürfen.
Der Ölfilter ist vom Motor getrennt. Er sitzt unterhalb des Ölkühlers im Kühlkreislauf. Gerade Ansaugwege kennzelchnen den neuen Zylinderkopf der ZXR 750. Das restliche Triebwerk basiert auf dem Motor der GPX 750 R
Rückbesinnung auf RennsportTradition: Der sportliche Look wird von der giftgrünen Lackierung im mittleren Bereich noch unterstrichen
Leider konnten wir uns das Wetter nicht aussuchen. Ausgerechnet heute muß es regnen. Und uns steht nur dieser eine Tag zur Verfügung, um die neue Kawasaki ZXR 750, das erste echte Superbike dieser Marke, Probefahren zu können. Eine Runde noch, dann wird der erste Fahrer in die Boxengasse abbiegen, um uns seine Eindrücke zu schildern.
Ein direkter Vergleich mit künftigen Konkurrenten drängt sich natürlich gleich auf. Das betrifft gerade so einfache, aber doch wichtige Dinge wie die Sitzposition. Allein der kurze Tank der ZXR bringt es mit sich, daß der Fahrer auf der Sitzbank, die durch eine Abdeckung des Soziusplatzes als Höckersitzbank dient, sehr weit vorn sitzt. Etwa so wie bei der Honda VFR 750 R. Nur durch die höher plazierten Lenkerstummel ergibt sich bei der Kawa eine viel entspanntere und für ein Supersport-Motorrad aufrechte Sitzposition. Auf der Honda verfällt der Fahrer durch die sehr tief positionierten Lenkerstummel in eine ungemütliche, weit nach vom gebeugte Haltung. Während wir uns noch weiter über die Sitzposition unterhalten und einen Vergleich mit der ähnlichen, aber gestreckteren Haltung auf der Suzuki GSX-R 750 anstellen, brabbelt der flüssigkeitsgekühlte Reihenvierzylinder im ungleichmäßigen Leerlauf rauh vor sich hin.
Das Triebwerk ist als einziges Element im Grundstock ein alter Bekannter. Das Kurbelgehäuse ist identisch mit der ebenfalls im Kawasaki-Programm befindlichen GPX 750R. Auch das Verhältnis von Hub und Bohrung wurde getreu übemommen und liegt damit mit 51,5 zu 68 Millimetern auf dem Niveau vergleichbarer 750er-Vierzylinder. Nur die Kurbelwelle mußte sich einer leichten Abmagerungskur unterziehen. Ihre Schwungmasse ist geringer als bei der GPX. Dagegen fand der Zylinderkopf bei der ZXR keine Verwendung mehr. Er mußte einer kompletten Neukonstruktion weichen, bei der die Ansaugwege gerader ausfallen. Zu diesem Zweck ist auch die Gleichdruck-Vergaserbatterie mit ihren Flachschiebern, die nur im Durchlaß zylindrisch geformt sind, in Schrägstromanordung am Zylinderkopf angeflanscht.
Zwecks Erhöhung der Drehzahltätigkeit greift Kawasaki bei diesem Zylinderkopf auf Tassenstössel zur direkten Betätigung der 16 Ventile zurück, die wie gewohnt von zwei obenliegenden Nockenwellen gesteuert werden. Die Einlaßventile bringen es auf einen Durchmesser von 26,5 Millimetern, auslaßseitig operiert man mit 22,5 Millimetern. Ferner unterscheidet sich der ZXR-Motor von dem der GPX durch die Trennung des Ölfilters vom Gehäuse. Er sitzt unterhalb des Ölkühlers im Kühlkreislauf.
Die beiden Schläuche, die von Eintritts öffnungen in der Verkleidung zum Tank führen, sind das markanteste Merkmal der Kawasaki ZXR 750
Dem Ventildeckel und der Vergaseranlage werden von der Verkleidungsfront über Schläuche durch den Tank Frischluft zur Kühlung zugeführt
Bei der Vier-in-zwei-in-eins-Auspuffanlage münden je zwei benachbarte Krümmer zusammen. Hinter dem Motor werden dann beide Rohre verbunden
Kupplungs- und Handbrems-hebel lassen sich individuell an die Fahrerbedürfnisse anpassen
Die Behälter für Brems- und Kupplungshydraulik sind von den Bedienungselementen getrennt
Doch das ist nicht alles: Eine kräffigere Kupplung, in der sich obendrein ein sogenannter Torque Limiter befindet - ähnlich dem Anti-Hopping-System von Honda - derdas Stempeln des Hinterrads verhindern soll, wenn der Fahrer mal etwas sorglos und schnell herunterschaltet, ergänzt das Triebwerk.
In der offenen Version leistet die ZXR 750 107 PS. Wir fahren natürlich die für den bundesdeutschen Markt gedrosselte 100-PS-Variante. Bei der geringen Leistungsdifferenz ist nicht zu erwarten, daß die ursprüngliche Charakteristik des Motors darunter leidet. Tatsächlich entwickelt der Reihenvierzylinder schon aus niedrigen Drehzahlen brauchbare Leistung und steigert sich kontinuierlich, ganz im Gegensatz zur GSX-R 750, die in diesem Bereich schwachbrüstiger zur Werke geht. Doch erst ab 8500/min legt er sich dann so richtig ins Zeug. Bis zu 12000 Touren zeigt er sich von seiner drehfreudigen Seite, weit über seine Nenndrehzahl hinaus. Denn die 100 PS sind laut Hersteller bereits bei 10 OOO/min erreicht. So quirlig geht die Honda VFR 750 F nicht zur Sache. Deren Motor wirkt im oberen Drehzahlbereich nicht so agil und zeigt am Drehzahllimit einen deutlichen Leistungseinbruch. Dafür entwickelt er im unteren wie mittleren Drehzahlbereich mehr Kraft.
Bei den zahlreichen Kurvenkombinationen des Rennkurses zeigt sich, daß die Abstimmung des Getriebes sehr gut zur Motorcharakteristik paßt. Da stört auch nicht die relativ kurze Auslegung des ersten Ganges, die bei etwa 90km/h einen Wechsel in den nächsthöheren Gang notwendig macht. Exakt und leichtgängig läßt sich das Getriebe durch seine sechs Gänge schalten.
Leicht abgelenkt wird der Fahrer nur, wenn er sich hinter der Verkleidung klein macht durch zwei dominante Luftschläuche zwischen Verkleidungsfront und Tankoberseite. Ihr Sinn liegt einzig und allein darin, kühle Luft direkt und auf schnellstem Wege dem Zylinderkopf und besonders der Vergaserbatterie zuzuführen, um eine mögliche Dampfblasenbildung zu unterbinden. Ob die Schläuche ihre Funktion erfüllen, oder ob es sich eher um einen optischen Gag handelt, muß allerdings zunächst dahingestellt bleiben.
Während das naßkalte Wetter uns zu schaffen macht, wirft das Fahrverhalten der ZXR keine Probleme auf. Sie hinterläßt, sofern es die Witterungsbedingungen zulassen, einen handlichen Eindruck. Der Fahrer fühlt sich schnell auf ihr wohl, muß sich kaum eingewöhnen. Selbst im Hoch- geschwindigkeitsbereich zeigt sich die Kawa von ihrer fahrstabilen Seite. Mit den Tokico-Vierkolben-Bremssätteln mit unterschiedlich großen Kolbendurchmessern, die zwei 310 Millimeter große Scheiben umgreifen, haben die Bremsen der ZXR das hohe Niveau auf Superbike-Ebene erreicht. Mit geringem Kraftaufwand und gut zu dosierendem Druckpunkt Iäßt sich das Motorrad optimal verzögern. Ein kleiner Wermutstropfen : Die Bremse neigt zum Rubbeln trotz schwimmend gelagerter Bremsscheiben. Die Bezeichnung darf hier nicht allzu wörtlich genommen werden, denn die Scheiben sind durch Tellerfedern so weit eingespannt, daß die Wirkung der schwimmenden Lagerung nahezu aufgehoben ist. Anders dagegen die Wirkung der hinteren Bremsanlage. Trotz höheren Kraftaufwandes zeigt sie nur mäßig Wirkung, was bei dieser Art von Motorrädern durchaus wünschenswert ist, um ein Überbremsen zu vermeiden.
Noch keinen perfekten Eindruck hinterläßt die Abstimmung der Federelemente. Die Telegabel dieser ZXR ist vorne zu hart abgestimmt und neigt zum Stuckem, was nicht dem Modell anzulasten ist, denn es bietet reichhaltig Abstimmungsmöglichkeiten, die wir allerdings in der Kürze der Zeit und unter den gebotenen Umständen nicht ausprobieren konnten. Ein ausführlicher Test muß den Beweis erbringen. Allein die Telegabel mit ihren 43er-Standrohren ist in der Zugstufendämpfung 12fach einstellbar, hinzu kommt eine mehrfache Verstellmöglichkeit der Federbasis.
Massive Aluminiumprofile verbinden Steuerkopf und Schwingenlagerung. Das Rahmenheck ist verschraubt
Eines ganz raffinierten Tricks bedient sich Kawasaki bei der Anlenkung (Uni Trak-System) des hinteren Federbeins. Die Zugstange der am Rahmen befestigten Hebelumlenkung wird über einen Exzenter in der Winkellage verstellt, was bewirkt, daß sich die Federrate des Hinterradsystems und deren Kraftverlauf beim Einfedern, das heißt die Progression der Federkennung verändert. Das bestätigte uns auch Kawasaki Deutschland entgegen den Aussagen des englischsprachigen Pressetextes. Zusätzlicher Vorteil dieser Verstellung : Zur exakten Abstimmung des Fahrwerks auf die Bedürfnisse des Fahrers muß die Feder nicht mehr gegen eine andere ausgetauscht werden. Hinzu kommen die diversen Abstimmungen des Federbeins in bezug auf Zugstufendämpfung und Federbasis.
Bei solch vielfältiger Abstimmungsmöglichkeit, darf es am geeigneten Rahmenkonzept nicht fehlen. Ein Aluminiumrahmen modernster Bauweise ist der Standard. Wie bei der ZX-10 führen zwei stabile Alu-Profile vom Steuerkopf zur Schwingenlagerung. Das massive Steuerkopf-Gußteil überlappt großflächig zur Erhöhung der Stabilität die Rahmenoberzüge und ist mit ihnen sauber verschweißt. Der Motor hängt in zwei abschraubbaren Unterzügen. Dabei ist er hinten in vier Punkten starr mit dem Rahmen verbunden, vorne jedoch in zwei Silentblocks gelagert. Etwas Besonderes stellen zwei am Rahmen verschweißte Gußteile in Höhe des Zylinderkopfs dar. Denn deckungsgleich zwischen ihnen befinden sich zwei Aufnahmepunkte am Zylinderkopf. Der Grund ist schnell gefunden. Für die Serie ist es nicht erforderlich, aber im Rennbetrieb kann der Motor an diesen Punkten starr mit dem Rahmen verbunden werden. Somit wird das Triebwerk zum mittragendem Element und erhöht die Stabilität des Fahrwerks. Die Unterzüge können dann weggelassen werden.
Eine am Rahmen angeschweißte Aufnahme erfüllt nur im Rennbetrieb eine Funktion
Bleibt die Frage nach dem Racing-Kit. Den wird es geben, denn die ZXR bietet sich als Basismaschine für den Rennsport an. Zum 130-PS-Kit gehören so wichtige Dinge wie ein nochmals anderer Zylinder kopf, eine auf den Rennsport abgestimmte Auspuffanlage, überarbeitete Pleuel, andere Kolben, Ventile, Nockenwellen sowie ein anders übersetztes Getriebe. Das Ganze ist natürlich nicht billig. Unterm Strich sind rund 40000 Mark zu veranschlagen, wenn man die Anschaffung der ZXR 750 mitberechnet. Doch auch ohne Rennkit wird das erste richtige Superbike von Kawasaki zum Basispreis von 15150 Mark zum ernstzunehmenden Konkurrenten dieser Klasse.
An der Uni-Trak-Umlenkung der Hinterradfederung läßt sich die rahmenseitige Lagerung der Zugstreben durch Exzenter verstellen
------Technische Daten ---------
MOTOR
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor,
stehend, gleitgelagerte Kurbelwelle,
zwei obenliegende Nockenwellen über Kette angetrieben,
vier Ventile pro Zylinder, über Tassenstößel betätigt,
Naßsumpfschmierung,
vier Keihin-Gleichdruck-vergaser CVKD 36,
digitalgesteuerte Transistorzündung,
Drehstromlichtmaschine,
Batterie 12 V/14 Ah,
E-Starter,
Bohrung x Hub 68 x 51,5 mm,
Hubraum 748 cm3,
Verdichtung 11,3,
Nennleistung 100 PS (73 kW) bei 10 000/min,
max. Drehmoment 72 Nm (7,3 kpm) bei 9 500/min,
Kolbengeschwindigkeit 20,6 m/s bei Höchstdrehzahl 12 000/min.
KRAFTÜBERTRAGUNG
Primärantrieb über Zahnräder,
hydraulisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung,
klauengeschaltetes Sechsganggetriebe,
Sekundärantrieb über O-Ring-Kette
FAHRWERK
Doppelschleifenrahmen mit Oberzügen aus Aluminiumprofilen und geschraubten Rohrunterzügen,
Teleskopgabel, Standrohrdurchmesser 43 mm,
Zugstufendämpfung zwölffach verstellbar,
Federbasis verstellbar,
Kastenschwinge aus Aluminium mit über Hebelsystem (Uni-Trak) angelenktem Zentralfederbein,
Federbasis stufenlos verstellbar,
Zugstufendämpfung vierfach verstellbar,
Doppelscheiben-Bremsanlage mit Vierkolben-Festsätteln vorn,
schwimmend gelagerte Bremsscheiben, 0 310 mm,
Zweikolben-Festsattelbremse hinten, 0 230 mm,
hohlgegossene Dreispeichenräder,
Federweg vorn/hinten 120/140 mm,
Felgengröße vorn/hinten 3.50 x 17 / 5.50 x 17,
Reifengröße vorn/hinten 120/70-VR 17 / 170/60-VR 17
MASSE UND GEWICHTE
Lenkkopfwinkel 65,5 Grad,
Nachlauf 100 mm,
Radstand 1455 mm,
Gesamtlänge 2150 mm,
Sitzhöhe 770 mm,
Gewicht vollgetankt 219 kg,
Tankinhalt 18 Liter.
H1 / H2
Und weil sichs so schön liest, gleich noch ein Testbericht:
Original article © 1989/5 MotorRad
Test Kawasaki ZXR 750
Ein Gerücht ging um in der Motorradwelt, als Kawasaki vor einem Jahr die neue Tausender ZX-10 in Jerez präsentierte. Die Japaner planten, so wurde gemunkelt, einen 750er-Supersportler mit dem Know-how der Langstrekkenrennmaschine ZXR 7. Die Kawasaki-Oberen hüllten sich damals in Schweigen.
Letzten Monat nun war es soweit: Die ZXR 750 gab ihr Debüt unter südlicher Sonne auf dem Circuit de Estoril vor den Toren Lissabons, wo alljährlich der Formel 1-Zirkus seine Vorstellung gibt. Dort gehört sie auch hin, denn die ZXR 750 ist eindeutig für die Rennstrecke konzipiert. Und in der Superbike-Weltmeisterschaft soll sie dem Namen Kawasaki wieder zu frischerem Glanz verhelfen.
Aber mehr noch: Auch sportlichen Straßenfahrern möchte sie etwas vom Flair der Rennstrecke vermitteln. Und das zu einem Niedrigpreis von 15150 Mark. Geradezu ein Taschengeld im Vergleich zu dem, was die Konkurrenz (Honda RC 30: 27770 Mark; Yamaha FZR 750 R: 35 900 Mark) ihren Kunden abverlangt.
Kawasaki beschritt denn auch andere Wege als die Mitbewerber mit ihren handverlesenen Kleinserienmaschinen. Große Stückzahlen hieß die Devise, im ersten Anlauf weltweit 10000 Maschinen. Darf man von solch einem Großserienmotorrad viel erwarten?
Man darf, wie dieser Test offenbaren wird, der mit 150 Kilometern im Renntempo in Estoril begann und der sich auf Landstraßen und Autobahnen südlich von Stuttgart bei vorfrühlingshaffem Wetter fortsetzte. Dabei machte die ZXR 750 zunächst gar keinen so guten Eindruck.
Sprungbereit: Die Kawasaki wirkt schon im Stand schnell
Absprungbereit: Der Beifahrer wird bald die Freundschaft kündigen
MOTORRAD-Mitarbeiter Waldemar Schwarz bemerkte nach einem ersten kurzen Fahreindruck: "Die Federung ist zu hart, die Dämpfung von Gabel und Federbein zu straff."
Das ließ sich allerdings ändern. Denn die ZXR war noch so eingestellt, wie es die japanischen Techniker auf der Rennstrecke in Portugal für richtig gehalten hatten. Also mußten Gabel wie Federbein weicher eingestellt werden. Kein Problem, die kräftige Telegabel verfügt über eine Verstellung der Zugstufendämpfung, die zwölffach justierbar ist. Die dritte Stufe wurde gewählt, das Federbein sollte auf Stellung zwei von vier möglichen - ebenfalls in der Zugstufendämpfung - für mehr Komfort sorgen.
Tatsächlich zeigten die Einstellarbeiten Wirkung. Auf dem durch Frostaufbrüche ruinierten Asphalt schwäbischer Landsträßchen fühlten sich Fahrer wie Maschine recht wohl. Keine brutalen Schläge ins Rückgrat, keine strapazierten Handgelenke. Und die Räder verloren selbst auf welligem Grund nicht den Kontakt zur Straße. Erstes Kompliment also für die ZXR 750.
Doch dabei blieb es nicht: Kein anderes Sportmotorrad der 750er-Klasse folgt so willig den Lenkbefehlen seines Fahrers, entwickelt so wenig Eigenlenkverhalten wie die ZXR. Handlichkeit wird bei ihr nicht dadurch erkauft, daß die Maschine in langsame Kurven hineinkippt und den Fahrer bei mäßig schneller Kurvenfahrt zu ständigem Nachkorrigieren zwingt - ein bei superbreit bereiften Sportmaschinen weitverbreitetes Übel.
Offensichtlich haben bei der ZXR Reifentechniker und Fahrwerksingenieure erfolgreich zusammengearbeitet. Schließlich wurden die extrem breiten Pneus - 120/70 VR 17 vorn und 170/60 VR 17 hinten - von Bridgestone speziell für die Kawasaki entwickelt.
Daß ihre Haftfähigkeit enorm ist, offenbarte die Testfahrt auf der portugiesischen Rennstrecke eindrucksvoll. Dabei fehlte es nicht am Willen des Fahrers, die Schräglagengrenze auszuloten. Kein leichtes Unterfangen bei diesen Pneus. Kein leichtes Unterfangen auch, die Grenzen des Fahrwerks anzupeilen.
Ohne Halt: Das Triebwerk setzt an sechs Punkten im Rahmen, vorn in Dämpfungselementen. Erst wenn die oberen Befestigungsaugen mit dem Zylinderkopf verbunden werden, trägt der Motor mit
Das Leichtmetallchassis mit dem klangvollen Namen E-Box-Frame hat nämlich Reserven für alle Fälle. So wie bei der ZX-10 sind zwei mächtige Vierkantprofile zwischen Lenkkopf und Schwingenlager für die Stabilität zuständig. E-Box heißt die Konstruktion deshalb, weil der Querschnitt wegen eines Mittelstegs dem Buchstaben E ähnelt. 16,5 Kilogramm wiegt der Rahmen samt angeschraubten Unterzügen aus Rundrohr und samt Heckteil.
Nicht eben wenig, aber die Dauerfestigkeit für langjährigen Straßenbetrieb will es so. Einen sehr stämmigen Eindruck macht auch die Hinterradschwinge, die durch ein aufgesetztes Rohrgebilde zusätzlich versteift ist. Auf der linken Seite sind die Streben mit der Schwinge verschraubt, damit sich die Antriebskette leichter wechseln läßt.
Das für eine progressive Kennlinie der Federung sorgende Uni Trak-Hebelsystem, mit dem sich die Schwinge am Rahmen abstützt, hat in allen Gelenken verschleißarme Nadellager. Die Schwinge selbst dreht sich im Rahmen links, dort wo der Kettenzug besonders hohe Kräfte einleitet, in zwei Nadellagern, während rechts ein Kugel- und ein Nadellager die Axialkräfte aufnehmen.
Kawasaki-Piloten haben mit den angebotenen Qualitäten des Fahrwerks leichtes Spiel. Neben der überraschenden Handlichkeit - die Fahrwerksdaten wie 100 Millimeter Nachlauf und 65,5 Grad Lenkkopfwinkel lassen das nicht ohne weiteres vermuten - war es geradezu ein Vergnügen, Kurven sehr hart anzubremsen. Dabei zeigte die ZXR 750 keinerlei Unsicherheit. Das Heck schwänzelte nie beunruhigend, und die Gabel verdaute Bodenwellen in der Bremszone, ohne auf Block zu gehen oder zu stempeln.
Wer glaubte, irgendwo müsse das Fahrwerk schon einen Fehler offenbaren, durfte eine unebene Rechtskurve voll beschleunigend durchfahren. Dabei waren 160 km/h durchausdrin. Aha, eine leichte Unruhe, der Stummellenker mußte vorsichtig geführt werden.
Doch auch dafür gab es eine Abhilfe. Wie sich herausstellte, hatten die Japaner den Exzenter, der zwischen Hebelsystem und Hinterradschwinge sitzt, auf maximale Bodenfreiheit eingestellt. Als sie das Heck absenkten, konnte die 160-km/h-Rechtsbiegung im Test noch rabiater durchfahren werden, wobei die Nervosität im Lenker fast verschwunden war. Die Schräglagenfreiheit hatte dabei nicht sonderlich gelitten. Jedenfalls setzten weder Fußrasten noch Verkleidung auf.
Massiv: 16,5 Kilogramm wiegt das Alu-Chassis samt Unterzügen und Heckteil. Schwinge und Uni Trak-Umlenkung sind per Exzenter miteinander verbunden
Die Zielgerade der portugiesischen Rennstrecke durcheilte die Kawasaki wie an der Schnur gezogen. Ein Eindruck der sich später auf bundesdeutschen Autobahnen wiederholte. Absichtliches Überfahrer von aufgesetzten Fahrbahnmarkierungen und längs verlaufenden Teerstreifen konnten der ZXR nie etwas anhaben. Man merkte es einfach gar nicht.
Auch nicht bei 250 km/h auf dem Tachometer, was echter 237 km/h entspricht. Ein Testwert, der darauf schließen läßt daß der Versuch, die Vollverschalung zu optimieren, gelungen ist, und dafür, daß sich die Arbeiten am Motor bezahlt gemacht haben. Im Prinzip basiert der wassergekühlte Reihenvierzylinder auf dem Triebwerk der GPX 750 R, lediglich der Zylinderkopf wurde neu konstruiert. Die steil stehenden Ansaugkanäle verlaufen jetzt fast geradlinig, um Turbulenzen im Benzin-Luft-Gemisch klein zu halten. Die vier Ventile pro Brennraum werden jetzt wieder über Tassenstößel direkt von den Nockenwellen geöffnet. Dieser Ventiltrieb ist noch drehzahlfester als jener der GPX mit Schlepphebeln.
Der neue Motor hat es in sich: Schon die gedrosselte, nach MOTORRAD-Messung 106 PS starke Kawasaki war für 3,6 Sekunden Beschleunigungszeit von Null auf 100 gut, ganze 15,2 Sekunden vergingen bis 200 km/h. Wobei das Verzögern ebenso erfolgreich verlief wie das Beschleunigen. Einfach Spitze, was die Vierkolbensättel zusammen mit den 310 Millimeter großen Bremsscheiben leisten. Keine Ermüdungserscheinungen auf der Rennstrecke, beste Dosierbarkeit.
Gibt es also an der Kawasaki gar nichts auszusetzen? Doch. Die Kaltstarteigenschaften sind nicht berauschend, und die Verlegung der Kühlluftschläuche zu Zylinderkopf und Vergasern ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack.
Original article © 1989/5 MotorRad
Test Kawasaki ZXR 750
Ein Gerücht ging um in der Motorradwelt, als Kawasaki vor einem Jahr die neue Tausender ZX-10 in Jerez präsentierte. Die Japaner planten, so wurde gemunkelt, einen 750er-Supersportler mit dem Know-how der Langstrekkenrennmaschine ZXR 7. Die Kawasaki-Oberen hüllten sich damals in Schweigen.
Letzten Monat nun war es soweit: Die ZXR 750 gab ihr Debüt unter südlicher Sonne auf dem Circuit de Estoril vor den Toren Lissabons, wo alljährlich der Formel 1-Zirkus seine Vorstellung gibt. Dort gehört sie auch hin, denn die ZXR 750 ist eindeutig für die Rennstrecke konzipiert. Und in der Superbike-Weltmeisterschaft soll sie dem Namen Kawasaki wieder zu frischerem Glanz verhelfen.
Aber mehr noch: Auch sportlichen Straßenfahrern möchte sie etwas vom Flair der Rennstrecke vermitteln. Und das zu einem Niedrigpreis von 15150 Mark. Geradezu ein Taschengeld im Vergleich zu dem, was die Konkurrenz (Honda RC 30: 27770 Mark; Yamaha FZR 750 R: 35 900 Mark) ihren Kunden abverlangt.
Kawasaki beschritt denn auch andere Wege als die Mitbewerber mit ihren handverlesenen Kleinserienmaschinen. Große Stückzahlen hieß die Devise, im ersten Anlauf weltweit 10000 Maschinen. Darf man von solch einem Großserienmotorrad viel erwarten?
Man darf, wie dieser Test offenbaren wird, der mit 150 Kilometern im Renntempo in Estoril begann und der sich auf Landstraßen und Autobahnen südlich von Stuttgart bei vorfrühlingshaffem Wetter fortsetzte. Dabei machte die ZXR 750 zunächst gar keinen so guten Eindruck.
Sprungbereit: Die Kawasaki wirkt schon im Stand schnell
Absprungbereit: Der Beifahrer wird bald die Freundschaft kündigen
MOTORRAD-Mitarbeiter Waldemar Schwarz bemerkte nach einem ersten kurzen Fahreindruck: "Die Federung ist zu hart, die Dämpfung von Gabel und Federbein zu straff."
Das ließ sich allerdings ändern. Denn die ZXR war noch so eingestellt, wie es die japanischen Techniker auf der Rennstrecke in Portugal für richtig gehalten hatten. Also mußten Gabel wie Federbein weicher eingestellt werden. Kein Problem, die kräftige Telegabel verfügt über eine Verstellung der Zugstufendämpfung, die zwölffach justierbar ist. Die dritte Stufe wurde gewählt, das Federbein sollte auf Stellung zwei von vier möglichen - ebenfalls in der Zugstufendämpfung - für mehr Komfort sorgen.
Tatsächlich zeigten die Einstellarbeiten Wirkung. Auf dem durch Frostaufbrüche ruinierten Asphalt schwäbischer Landsträßchen fühlten sich Fahrer wie Maschine recht wohl. Keine brutalen Schläge ins Rückgrat, keine strapazierten Handgelenke. Und die Räder verloren selbst auf welligem Grund nicht den Kontakt zur Straße. Erstes Kompliment also für die ZXR 750.
Doch dabei blieb es nicht: Kein anderes Sportmotorrad der 750er-Klasse folgt so willig den Lenkbefehlen seines Fahrers, entwickelt so wenig Eigenlenkverhalten wie die ZXR. Handlichkeit wird bei ihr nicht dadurch erkauft, daß die Maschine in langsame Kurven hineinkippt und den Fahrer bei mäßig schneller Kurvenfahrt zu ständigem Nachkorrigieren zwingt - ein bei superbreit bereiften Sportmaschinen weitverbreitetes Übel.
Offensichtlich haben bei der ZXR Reifentechniker und Fahrwerksingenieure erfolgreich zusammengearbeitet. Schließlich wurden die extrem breiten Pneus - 120/70 VR 17 vorn und 170/60 VR 17 hinten - von Bridgestone speziell für die Kawasaki entwickelt.
Daß ihre Haftfähigkeit enorm ist, offenbarte die Testfahrt auf der portugiesischen Rennstrecke eindrucksvoll. Dabei fehlte es nicht am Willen des Fahrers, die Schräglagengrenze auszuloten. Kein leichtes Unterfangen bei diesen Pneus. Kein leichtes Unterfangen auch, die Grenzen des Fahrwerks anzupeilen.
Ohne Halt: Das Triebwerk setzt an sechs Punkten im Rahmen, vorn in Dämpfungselementen. Erst wenn die oberen Befestigungsaugen mit dem Zylinderkopf verbunden werden, trägt der Motor mit
Das Leichtmetallchassis mit dem klangvollen Namen E-Box-Frame hat nämlich Reserven für alle Fälle. So wie bei der ZX-10 sind zwei mächtige Vierkantprofile zwischen Lenkkopf und Schwingenlager für die Stabilität zuständig. E-Box heißt die Konstruktion deshalb, weil der Querschnitt wegen eines Mittelstegs dem Buchstaben E ähnelt. 16,5 Kilogramm wiegt der Rahmen samt angeschraubten Unterzügen aus Rundrohr und samt Heckteil.
Nicht eben wenig, aber die Dauerfestigkeit für langjährigen Straßenbetrieb will es so. Einen sehr stämmigen Eindruck macht auch die Hinterradschwinge, die durch ein aufgesetztes Rohrgebilde zusätzlich versteift ist. Auf der linken Seite sind die Streben mit der Schwinge verschraubt, damit sich die Antriebskette leichter wechseln läßt.
Das für eine progressive Kennlinie der Federung sorgende Uni Trak-Hebelsystem, mit dem sich die Schwinge am Rahmen abstützt, hat in allen Gelenken verschleißarme Nadellager. Die Schwinge selbst dreht sich im Rahmen links, dort wo der Kettenzug besonders hohe Kräfte einleitet, in zwei Nadellagern, während rechts ein Kugel- und ein Nadellager die Axialkräfte aufnehmen.
Kawasaki-Piloten haben mit den angebotenen Qualitäten des Fahrwerks leichtes Spiel. Neben der überraschenden Handlichkeit - die Fahrwerksdaten wie 100 Millimeter Nachlauf und 65,5 Grad Lenkkopfwinkel lassen das nicht ohne weiteres vermuten - war es geradezu ein Vergnügen, Kurven sehr hart anzubremsen. Dabei zeigte die ZXR 750 keinerlei Unsicherheit. Das Heck schwänzelte nie beunruhigend, und die Gabel verdaute Bodenwellen in der Bremszone, ohne auf Block zu gehen oder zu stempeln.
Wer glaubte, irgendwo müsse das Fahrwerk schon einen Fehler offenbaren, durfte eine unebene Rechtskurve voll beschleunigend durchfahren. Dabei waren 160 km/h durchausdrin. Aha, eine leichte Unruhe, der Stummellenker mußte vorsichtig geführt werden.
Doch auch dafür gab es eine Abhilfe. Wie sich herausstellte, hatten die Japaner den Exzenter, der zwischen Hebelsystem und Hinterradschwinge sitzt, auf maximale Bodenfreiheit eingestellt. Als sie das Heck absenkten, konnte die 160-km/h-Rechtsbiegung im Test noch rabiater durchfahren werden, wobei die Nervosität im Lenker fast verschwunden war. Die Schräglagenfreiheit hatte dabei nicht sonderlich gelitten. Jedenfalls setzten weder Fußrasten noch Verkleidung auf.
Massiv: 16,5 Kilogramm wiegt das Alu-Chassis samt Unterzügen und Heckteil. Schwinge und Uni Trak-Umlenkung sind per Exzenter miteinander verbunden
Die Zielgerade der portugiesischen Rennstrecke durcheilte die Kawasaki wie an der Schnur gezogen. Ein Eindruck der sich später auf bundesdeutschen Autobahnen wiederholte. Absichtliches Überfahrer von aufgesetzten Fahrbahnmarkierungen und längs verlaufenden Teerstreifen konnten der ZXR nie etwas anhaben. Man merkte es einfach gar nicht.
Auch nicht bei 250 km/h auf dem Tachometer, was echter 237 km/h entspricht. Ein Testwert, der darauf schließen läßt daß der Versuch, die Vollverschalung zu optimieren, gelungen ist, und dafür, daß sich die Arbeiten am Motor bezahlt gemacht haben. Im Prinzip basiert der wassergekühlte Reihenvierzylinder auf dem Triebwerk der GPX 750 R, lediglich der Zylinderkopf wurde neu konstruiert. Die steil stehenden Ansaugkanäle verlaufen jetzt fast geradlinig, um Turbulenzen im Benzin-Luft-Gemisch klein zu halten. Die vier Ventile pro Brennraum werden jetzt wieder über Tassenstößel direkt von den Nockenwellen geöffnet. Dieser Ventiltrieb ist noch drehzahlfester als jener der GPX mit Schlepphebeln.
Der neue Motor hat es in sich: Schon die gedrosselte, nach MOTORRAD-Messung 106 PS starke Kawasaki war für 3,6 Sekunden Beschleunigungszeit von Null auf 100 gut, ganze 15,2 Sekunden vergingen bis 200 km/h. Wobei das Verzögern ebenso erfolgreich verlief wie das Beschleunigen. Einfach Spitze, was die Vierkolbensättel zusammen mit den 310 Millimeter großen Bremsscheiben leisten. Keine Ermüdungserscheinungen auf der Rennstrecke, beste Dosierbarkeit.
Gibt es also an der Kawasaki gar nichts auszusetzen? Doch. Die Kaltstarteigenschaften sind nicht berauschend, und die Verlegung der Kühlluftschläuche zu Zylinderkopf und Vergasern ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack.