Reisebericht Gardasee 07

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Tie
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Reisebericht Gardasee 07

Beitrag von Tie »

Tag 1.

Nachdem die Spritpumpentransplantation erfolgreich durchgeführt werden konnte und so unserem Ritt gen Süden nichts mehr im Wege gestanden ist, habe ich auch das Ende des für uns so bedauerlich kurzen Ö-Treffens genießen und erholsamen Schlaf finden können.
Nach dem Aufstehen - geweckt von Connis schon leicht gestresst klingender Engelsstimme - wurde dann gepackt und ich konnte es kaum erwarten loszureiten - bis ich das erste Mal auf meinen bepackten Bock steigen wollte.
Die erste Erfahrung des Tages: Eine ZXR ist keine Tourenschaukel und ein zweistöckiger Tankrucksack sieht nicht nur aus wie der "Turmbau zu Babel", sondern unterbindet jeden Versuch vernünftig auf diesem Moped zu sitzen, geschweige denn ohne Liegestütze über der Kanzel noch auf den Tacho sehen zu können.

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Plan B: Einen Teil als Rucksack benutzen (Aldi hatte da damals mitgedacht und schon Gurte angebracht) und schon hat man freie Sicht und halbwegs angenehme Bewegungsfreiheit. Also kann auch eine ZXR zum Tourer werden - jedenfalls was die Tragfähigkeit und Ladekapazität angeht. :wink:

Nach dem Verabschieden bei unseren Frauen und Freunden ritten wir bestens gelaunt gen Süden. Sehr angenehmes Reisetempo, Mühle rennt, Asphalt bebt, Alles easy!
Hinter dem Felbertauerntummel dann der erste Tankstop. Klaus hat mich angeblich angehupt, da er schon auf Reserve war, aber mein Weg hat mich instinktiv zur letzten Tränke vor dem Sprungpunkt nach Italien geführt: Mein persönlicher Horror, dem Staller Sattel.

Natürlich haben wir es zeitlich nicht so perfekt hinbekommen beim Startschuß in der ersten Reihe zu stehen. Aber wir haben schon als die Strecke noch eine halbe Stunde gesperrt war unmisverständlich und kompromislos klargestellt, wer uns nicht im Weg rumschaukeln wird: (Da hätten wir auch auf den Bus warten können!) ABER IHR NICHT!!!

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Nach dem wir die verbleibende halbe Stunde bis zum Massenstart mit einer Bockwurst bei herrlichstem Wetter und grandioser Aussicht totgeschlagen hatten, wurde es auch langsam Zeit - auch für unsere Blasen!
Ne Toilette wäre nicht schlecht gewesen - aber der einzige Topf dort oben wurde von einer hyänenhaften Horde holländischer Rentner umkämpft, wie das letzte Stück Kuchen vor dem Deep Impact. Also haben wir dann doch noch eben schnell eine Klettertour hinter die nächsten Scheunen unternommen. Dann gings los!

Auf dem Weg nach unten (mit ner Tüte Gänsehaut unterm Helm) habe ich dann unterwegs Klaus noch eben die Stelle meines Verderbens gezeigt. (Übrigens inzwischen PERFEKT geteert!!!)
Völlig problemlos ging es dann weiter Richtung Grödner- und Sella-Joch.

Kurz vor dem Anstieg hat uns dann aber doch noch eben ein Gewitterwölkchen an den Straßenrand getrieben - direkt gegenüber einer recht sympathisch wirkenden Pizzeria. Nachdem sehr schnell entschieden war was man 13:00 in Südtirol bei drohendem Regen am Besten macht, haben wir uns einstimmig gegen Ganzkörperkondom und für eine "kleine Stärkung" entschieden.

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Die Sonne schien wieder und keinem von uns ist die halbe Pizza lang aufgefallen, daß jeder gerade damit beschäftigt war die Pizza des anderen zu vernichten. Als wir diese Tatsache korrekt ermittelt hatten, haben wir einfach die Teller getauscht und - wie es sich gehört - brüderlich geteilt, wie danach dann auch die Rechnung.
Und dann kams: keine 5 Kurven sind wir weitergekommen, als wir feststellen mussten, daß besagte Regenwolke hinterhältig hinter einem Tunnel auf uns gewartet hatte ...
Nach 5 weiteren Kurven wars auch schon wieder vorbei und das Bisschen Feuchte in unseren Klamotten war schnell vergessen, als wir die ersten Kurven gen Grödner-Joch als Nachtisch serviert bekamen. Bereits da war klar, daß unsere Reifen etwas Arbeit vor sich hatten.
Auf dem Sella-Joch war uns jedoch klar, daß auch unsere Regensachen noch Arbeit bekommen würden!
Also dann eben doch in den Fetisch-Fummel!

Und was soll ich Euch sagen: Abermals KEINEN TROPFEN bis ins Tal, ans Ende eines MÖRDERSTAUS in Canizei - IN PRALLER SONNE!!!
Wir sind noch keine 100m weitergekrochen und ich habe schon gedacht meine Eier wären hart! Spaßiger Weise hatte ich zuvor auch noch meine polarexpeditionstauglichen Winter- und Regenhandschuhe angezogen! Was ich nicht wusste war, daß bei schweißnassen Händen das Innenfutter beim Ausziehen an den Händen pappenbleibt und mit rausgezogen wird!
Als wir dann endlich durch dieses Schweinekaff mit den 3 ausgefallenen Ampeln durch waren, wollte ich nur noch eins: Raus aus diesem Backschlauch!
Also zogen wir an der nächsten Tanke raus und zogen den Plastikfummel aus und die richtigen Handschuhe wieder an. Aber getankt haben wir nicht, denn in 50 km Restreichweite finden wir sicher noch eine Zapfsäule! (Böser Fehler!!!)

Ich wusste es genau! Am Fuße des Manghenpasses ist eine Tankstelle!
Da ist sie auch heute noch! Nur war diese Sonntagnachmittags geschlossen!
Nachdem wir 30 weitere Kilometer auf der Suche nach Sprit vollkommen sinn- und planlos durch die Vegetation geirrt sind, war uns klar, daß wir nicht auch noch unsere Reserve verplempern sollten!
Also sind wir wieder hoch in die dünne Luft gestartet.

Ich wußte ja vom letzten Jahr was einen am Manghenpass erwartet, aber Klaus hatte am Gipfelhaus das ganz breite Grinsen aber auch ausgeprägte Transpiration im Gesicht stehen.
Im Nachhinein: Ich habe es doch sehr bedauert ausgerechnet auf dieser Strecke gezwungener Weise "spritsparend" zu fahren. Aber wir haben ja noch eine Woche Zeit...

Auf dem Weg nach unten habe ich auch deshalb meinen Motor aus gelassen und bin die 15km einfach gerollt - bis zur lang ersehnten ersten Tanke im Tal, einem Tankautomaten, der aber auch wirklich nur italienisch schreiben konnte was er von einem wollte. 10€-Scheine nahm er dann auch. 5€-Scheine schmeckten ihm nur die frisch gedruckten!
Na dann muß reichen was unseren Tanks zugestanden worden ist.

Wie auch anno 2006 gings von da an völlig problemlos weiter - bis auf die mir sehr vertraute Suche nach dem Zugang zu "Folgaria". Nachdem wir dann mit Händen und Füßen 3 Einheimischen vermittelt hatten wo wir hin wollten, war auch die letzte Hürde geschafft. Von Rovereto aus starteten wir zum ersten Zielsprint über die SS46 und wir liefen gegen 20:00 erleichtert bei Paolo in "Foxi" ein.

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Dann gabs auch gleich was Geiles zu essen und nach 4 Bieren pro Schlund und der Feststellung, daß Klaus seine gesamten Papiere Conni auf die Heimreise mitgegeben hatte ( :hammer: Kroatien adée), sind wir wie die Steine ins Bett gefallen.

Tagesfazit: Den Admin erfolgreich ins gelobte Kurvenland geführt!


Part II.

Tag 2. Monte Baldo-Day


Der erste wirkliche Urlaubstag begann, wie er nicht beginnen sollte:
1. um 4:00
2. mit einem Donnerschlag, der mich senkrecht im Bett stehn lies.
3. mit einem für meine Begriffe unangenehm lauten Rauschen.

Aus den süßesten Kurventräumen gerissen, kam mein im abgesicherten Modus startendes Betriebssystem erst auf die Idee, Klaus hätte die Dusche betreten - aber Gott sei Dank bevorzugt auch er im Urlaub erst nach dem Morgengrauen aufzustehen - aber ich erkannte dann doch ein Gewitter vom Allerfeinsten.
Als nächstes erinnerte ich mich daran, daß wir unsere Stiefel und bei der Anreise getragenen Funktions- und Lederklamotten z. T. auf links gekrämpelt im offen stehenden Fensterstock ausgebreitet hatten, um den zarten Verwesungsgeruch unserer obersten Hautschichten aus den Klamotten in die Freiheit zu entlassen.
Nachdem ich dann meinen von der Anreise durchgenudelten Körper in eine aufrechte Position bringen und unkoordiniert Richtung Fenster in Bewegung setzen konnte, knurrte Klaus unter der Bettdecke hervor, er habe schon alles in Sicherheit gebracht.
Also drückte ich auf meinen Resetbutton und fiel wieder zur Seite in mein Bett und sofortige Stasis. Dabei registrierten jedoch meine Ohren weiterhin, daß es die verbleibende Nacht kontinuierlich weitergoß, was der italienische Himmel für uns aufgespart hatte.

Das blieb auch leider so bis wir so gegen 9:00 aufstanden, unsere Knochen sortierten und uns schließlich zu einem ausgiebigen Frühstück in den Gastraum begaben. Auch wenn wir nicht fahren konnten - es war GEIL! Den Gastraum fast für uns, Ruhe, Frieden, OHNE Stress einfach mal dasitzen und schwafeln.

So gegen 10:30 hörte es dann auf zu Regnen. Zwar schien nicht die Sonne, aber wir entschieden uns die Regenklamotten in den Tankrucksack zu stecken und einfach mal auf gut Glück zum Gardasee runter zu fahren.
Leider war auch bei der ersten Abfahrt nach Rovereto die Strecke weitestgehend noch nass, so daß wir mit etwas Bedacht - guter Asphalt hin oder her - die Talfahrt in Angriff namen.

Wie sich herausstellte war das eine gute Entscheidung! Denn je näher wir dem Lago kamen, um so besser wurde das Wetter!
Im Tunnel auf der Strecke noch mal richtig durchgeladen und abgefeuert - ICH LIEBE TUNNEL!!! Nur schade, daß der Sebring son zartes Stimmchen hat! Dennoch muß sich nach Klaus Angabe der ein oder andere Touri etwas verkrampft haben, als ich durch 5-stellige Drehzahlen deren Aufmerksamkeit im Rückspiegel erregt habe. Frei nach dem Motto: "Der tut nix, der will nur Spielen": Angasen, zurückfallen lassen um wieder aufzureißen. Da im Tunnel 90 gilt, konnte ich mich weit genug zusammenreißen nicht auch noch an denen, die mit 120 unterwegs waren, vorbeizukreischen.

Nach einer guten halben Stunde waren wir dann da und haben unsere Schnitten an der wunderschönen Ufer-Prommenade in Torbole abgestellt. Wer noch nicht da war wirds nicht glauben: Die erste Reihe neben dem Gehweg der Prommenade gehört in Italien den Mopedfahrern: Extra beschilderte, kostenlose und ordentlich markierte MOTORRADPARKPLÄTZE in wunderschönster Lage!!! (Da sollten sich mal ein paar andere Nationen ein Beispiel dran nehmen!)

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Nachdem wir dann einmal durch die Gassen geschlendert sind, meldete sich mein Magen und machte spürbar darauf aufmerksam, daß auch er festgestellt hatte, daß ich in Urlaub bin. Da genau vor mir zwei unmittelbar konkurrierende Pizzerien auf dem Piazza in mein Blickfeld gerückt waren, formulierte ich eine vorsichtige an Klaus gerichtete Frage, ob er nicht auch Lust auf ein "Häppchen" hätte.
Er meinte er müsse nicht, aber er könnte schon.
Darauf hin sagte ich nur: Du musst!

Eine 4-seitige Pizzakarte - wenn man Hunger hat ist das schon fast Masochismus sich da durchzuquälen. Aber wir haben es geschafft und freuten uns auf das, was wir auf den Tellern der Blagen neben uns erspäht hatten. (Zu dem Zeitpunkt war uns nicht klar, daß diese Sitzkissen die KINDERPORTIONEN waren!!!)
Also freuten wir uns weiter! In der chronologisch korrekten Reihenfolge lief unsere Metamorphose etwa so ab:

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Ja, ich hab doch glatt noch nen Teller gefunden! Klaus hat kurz nach dem Pic kapituliert! Satz und Sieg für Tobi!!!

Noch Fragen? Wir hatten da auch keine mehr!

Dennoch haben wir uns während unserer Mästung prächig unterhalten. Reifen, Fahrwerk, Bremsen, ach was weiß ich... Die Sonne verscheuchte vorrübergehend jede Wolke und die Stimmung wuchs proportional der Bestrahlung von oben.
Ende vom Lied war dann, daß wir mal die Mopeds tauschen wollen.
Da Klaus ja doch die ein oder andere "Modifizierung" an seinem Gerät vorgenommen hatte, war ich einfach neugierig, da ich von "Setup, Federvorspannung, Zug- und Druckstufe zwar schon viel gehört, ich aber bisher keine Ahnung hatte, welche wahrnehmbaren Auswirkungen sich hinter diesen Begriffen verbergen.
Um das zu testen und um das inzwischen herrliche Wetter nicht umsonst verstreichen zu lassen, schlug ich vor eine in unmittelbarer Umgebung liegende Strecke, die ich noch aus dem Jahr 2006 in allerbester Erinnerung hatte, in Angriff zu nehmen: Monte Baldo.
Nach dem ich es dann irgendwie geschafft hatte, an meinem Kombi die erforderlichen Reisverschlüsse zuzubekommen, rollten wir los Richtung Monte Baldo. :twisted:

Klitzekleiner Wermutstropfen: Es gibt 2 Auffahrten. Die die uns am nächsten lag (Mori) war die weniger nette. Aber man will ja nicht anspruchsvoll wirken, wir sind ja schließlich noch länger da!
Also starteten wir durch.

Die Unterschiede unserer an sich so ähnlichen Mopeds nahm ich sofort war - Klaus auch, daher wuchs der Abstand unter uns mit jeder Kurve!
Auch wenn ich sofort feststellte, daß Klaus Ruckdämpfer ebenso ablegereif ist, wie meiner und seine Reifen in den letzten Zügen lagen, war es für mich wie ein Erwachen!
Die Ruhe im Fahrwerk, das förmliche Ansaugen der 7-er-Gabel an den Asphalt, das exakte, herrlich dosierbare Ansprechen seiner 6-Kolben-Beißer... eine Wucht!
Auf halber Strecke nach oben dann eine kurzer Erfahrungsaustausch.
Klaus meinte, daß mein Moped trotz der bei weitem nicht so straffen Fahrwerksabstimmung gut beherrschbar sei und er es genossen hat mal ein paar Kurven mit meinen intakten und herrlich unkomplizierten BT020-ern zu ziehen. Dabei wurde auch festgestellt, daß es keine schlechte Idee war einen Satz Bremsbeläge mitzunehmen ...!

BTW: Als ich Klaus auf meinem Moped im Rückspiegel sah, fiel mir sehr intensiv auf, wie bildschön doch meine ZXR ist!

Nächster Schritt: Schraubendreher raus und mein Fahrwerk seinem - soweit technisch möglich - angeglichen. => ERLÖSUNG!!!
Vertraute Umgebung, perfekter Sitz und zum ersten Mal in meinem Leben habe ich verstanden wovon die Rede war, das hochgelobte, nicht aus der Ruhe zu bringende ZXR-Fahrwerk zu genießen. Was habe ich die letzten 2 Jahre alles versäumt ...
Die letzten km zum Gipfelhaus hab ich in jeder Kuve vor Freude in meinen Helm gegrinst. Nur wo war Klaus? :loldevil: Ja wo isser denn???

Als er mich dann oben eingeholt hatte sagte ich garnichts - ich lauschte nur.
Wer noch nie am Monte-Baldo-Haus war und nicht weiß was ihn erwartet MUSS seiner Verblüffung Luft machen: Man befindet sich auf 1630m Höhe auf einer Felswand und über 1000m unter einem ist er: Der Gardasee in voller Pracht der Schönheit dieses Fleckchens Erde. ATEMBERAUBEND - auch für Freaks, die sich für nichts anderes als die nächste Kurve interessieren! Auch Klaus hat sein Kinn erstmal auf die Knie fallen lassen! ;)

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Nachdem wir da oben unseren Capuccino durch und durch genossen haben, machten wir uns langsam wieder auf den Heimweg. Die Wolken wurden immer dunkler und wir zogen es vor die Regenkombis dort zu lassen, wo sie waren - eingepackt.
Auf der Abfahrt nahmen wir dieses Mal den "netteren" Weg über Avio nach Rovereto - soooo geil die engen Kehren mit dem "neuen Fahrwerk".
Dabei habe ich Klaus diesmal den Vortritt gelassen, denn ich beobachtete, daß er in den Kehren richtig arbeiten musste und ihm nach der X-ten Kehre das Blut aus den Händen gewichen war. Darauf machte ich ihn auf eine Sache aufmerksam, die ich von meinem Twin-Fahrstil auch auf die ZXR übernommen hatte: Da unsere Ladies mit den Stummeln nicht für Haarnadeln gedacht sind, habe ich mich an meine Twin erinnert und wie spielerisch das damals doch war.
Auf die ZXR übertragen bedeutet dies: Lenkkopfentlasten durch Zug im Rücken (den Oberkörper nur mit dem Rücken halten und mit den Händen den Lenker führen - sonst nichts!).
Als das bei mir so schön klappte konnte ich es nicht lassen Ihm mal in einer der zahllosen Kehren in den Rückspiegel zu winken, 2 Finger der anderen Hand am Lenker. Na das Gesicht hättet Ihr sehen sollen!
Nachdem wir nochmal gehalten hatten, habe ich ihm das erklärt. Und schon lief es auch für ihn bedeutend entspannter in den engen Stellen!

Im Tal wedelten wir dann zwischen den Weingärten und -bergen hindurch Richtung Rovereto. Allerdings erfuhr ich schmerzhaft, daß man bei Bodenwellen und Schlaglöchern mit einem härteren Fahrwerk etwas bedächtiger umgehen sollte. Auf einer kurzen Geraden hab ich mal schön am Kabel gezogen. Klaus war genau hinter mir und sah das Unheil schon kommen...
Mein altes Schlabber-Setup hätte den abgesenkten Gullideckel einfach ignoriert, mein jetziges aber ganz und garnicht! Kann gut sein daß ich jetzt den Rest meines Lebens mit der Gießereiprägung irgendeiner italienischen Gullideckelfabrik in den Hoden rumfahre und ich es nie erfahren werde. Ich hab so ein Ding verpasst bekommen, daß es ein Wunder ist nicht vom Bock gefallen zu sein!

Pünktlich in Rovereto, am Fuße der berühmtberüchtigten 12-Minuten-Hammerstrecke rauf nach Foxi, begann es schließlich zu tröpfeln! Die Straße war jedoch schon mistnass! Wieder kein ernstzunehmender Rekordversuch möglich... :(

Kurz vor dem Abendessen (nach dem obligatorischen Heimkehr-Bierchen) sind wir dann nochmal raus und haben meine Beläge gewechselt.
NATÜRLICH haben wir auch die Sättel piniebelst gereinigt - MIT MEINER ZAHNBÜRSTE!!! (Klaus war nicht davon abzubekommen!)
Und während wir so fröhlich am Schrauben waren, kamen natürlich auch ein paar der anderen Gäste vorbei. Von verständnislosem Kopfgeschüttel bis schadenfrohem Grinsen war alles dabei. Am meisten grinsten jedoch wir über diese arroganten, weichgespülten Werkstattschieber.
Pünktlich zum Beginn des nächsten Wolkenbruchs waren wir fertig.
Kurz zuvor lief noch ein Hamburger-Pärchen (Jürgen und Olivia) auf einer Triumph Sprint ST ein. Obwohl bepackt wie auf einer Weltreise, waren uns die beiden sofort sympathisch. Interessiert (und noch eigentlich gar nicht wirklich angekommen) wurde sofort Benzin gelabert, bis uns der Regen dann doch ins Warme getrieben hat.
Schnell geduscht, die rabenschwarze, bremsstaubgeschwängerte Zahnbürste im Mülleimer versenkt (was mag sich wohl die Putze am nächsten Tag gedacht haben ... :kratz:) und ab zum Abendessen.

Nach einem nobelpreisverdächtigem 3-Gänge-Menü (Carpaccio mit Aceto-Knoblauch-Sößchen zum sattessen als Hauptgang!!!) saßen wir auch schon beieinander, planten spontan einen gemeinsamen Ausritt am morgigen Tag, während draußen der Probelauf der Appocalypse den 3. Akt erreichte und sich die Weichgespülten am Nachbartisch noch immer das Maul über meine platten Bremsbeläge zerrissen.
Nach ungezählten Bieren, 2 Flaschen Wein und einer Finalrunde Grappa, krochen wir glücklich und zufrieden in die Federn und hofften inständig, daß sich das Wetter bis morgen bessern würde. Leider umsonst ...

Tages-Fazit: Dem Admin auf seinem Moped davongefahren! :twisted:
Woher soll ich wissen was ich denke, wenn ich nicht lese, was ich schreibe?

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Grammatik gelernt bei Yoda Du hast???

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Beitrag von Tie »

Part III

Tag 3. Hier ... kommt ... KLAUS!!! oder: "DER NEBEL DES GRAUENS!"


Daß Blitz und Donner einem mal die Nacht vermiesen hat ja jeder schon erlebt - wie auch ich in der letzten Nacht. Mancheiner (wie normaler Weise auch ich) ist das sommernächtliche Getöse so gewöhnt, daß man im Stande ist Petrus Zorn zu ignorieren und einfach weiterzupennen.
Bei dem was sich aber in dieser Nacht abgespielt hat, lies sich vermuten, er stünde leibhaftig in unserem Zimmer!
Es gibt grummelige Gewitter, beeindruckende und sicherlich auch imposante. Was sich aber in dieser Nacht ereignete, spottet jeder Beschreibung. Man hätte meinen können das Trentinische Massiv stürzt in sich zusammen! Beste Aussichten für den nächsten Tag ...

Und so war es dann auch: Es goß noch immer aus Eimern, als wir uns zum Frühstück versammelten.
Das Wichtigste: Jürgen hatte eine von Paolos Tourenvorschlägen in sein neues Navi programmiert. Da ich mir die Tour auf der Karte angesehen hatte, hielt ich das für eine sehr gute Idee, da die Landkarte südlich von uns, mit kleinsten Sträßchen und Wegen, einer Darstellung der Kapilargefäße eines Lungenflügels gleicht.
Das Wetter sollte sich im Laufe des Vormittages bessern - hieß es - und so freute ich mich auf diese Tour, ohne in jedem Kaff auf die Karte kucken und nach dem nächsten Feldweg suchen zu müssen.
Nach dem Frühstück hörte es tatsächlich wieder auf zu Regnen und ich stellte mich auf eine ruhige und gemütliche Tour ein - schließlich war das Wetter zum Kotzen, meine Bremsbeläge mussten zärtlich eingefahren werden, Kläuschens Reifen verdampften bei der geringsten ambitionierten Fahrweise auf dem italienischen Asphalt und ein Hamburger ist unser heutiger Guide. Kurven gibts bei denen ja keine, Berge auch nicht, Reise-Tourer (Gott sei Dank keine Goldwing) mit Sozius ... naja, besser als in der Pension zu hocken. So dachte ich jedenfalls.

Wir starteten, abermals mit Regenkleidung im Gepäck, bei bedecktem Himmel und nassen Straßen. Jürgen vorne Weg, ich in der Mitte und Klaus mit seinen Gummiglatzen hinter mir. Nach ein paar Kilometern war ich dann doch beeindruckt, was sich da so vor mir abspielte.
Olivia klebte förmlich auf dem Sitzbrötchen und Jürgen war deutlich anzumerken, daß er auf seinen Sozius rücksichtnahm - auch wenn er ganz anders wollte. In jedem Fall war klar, daß ich da ein eingespieltes Team vor mir hatte.
UND die Triumph ST ... die absolute Überlegenheit auf diesen Strecken! Aus dem Drehzahlkeller schiebt das 1075ccm-Ding an wie eine Dampfwalze! Bei einem unserer kurzen Zwischenstops wurde so ganz am Rande erwähnt, daß Jürgen konstant im 3. oder 4. Gang fährt und so bei 4000 schaltet ... noch Fragen??? :shock:
Ich rühre in den Serpentinen in den Gängen und hatte Spaß daran so bis 8000 Touren aus der Kurve raus zu beschleunigen und dann sone Ansage!
Allerdings machte sein Dampfer - wie er meinte wegen des SLS - im Schiebebetrieb Geräusche, daß ich mich mehrmals umsah, ob nicht irgendein Trum meiner Möhre abgefallen war. Naja, die Engländer halt ...

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Der erste Teil der Tour lief jedenfalls bedeutend zügiger ab, als ich erwartet hätte und ich hatte Spaß daran im Kielwasser der Titanic durch die wolkenverhüllte Landschaft zu kreuzen. Dann landeten wir schließlich in Valdagno ...

Als wir dann zum dritten Mal in unterschiedlichen Richtungen das Ortszentrum durchfahren hatten, begann ich das erste Mal an Jürgens Navi ("El Professore") zu zweifeln. Bei jedem unserer Orientierungszwangsstops intensivierte sich seine Gesichtsfarbe und erhöhte sich der Kraftaufwand, mit dem er zusehends nervöser auf die Tasten und den Touchscreen seines Navis hämmerte. Schließlich wurden wir auf ein Sträßchen geleitet, daß zumindest mal 2 km aus diesem Kaff herausführte.
Wunderschöne Weingärten und Gemüsefelder säumten den schmalen Weg, als plötzlich hinter einem letzten, bewohnten Haus der spärliche Asphalt grobem Schotter wich.
Abermals hielten wir an und Jürgen beteuerte auf sein Navi deutelnd, wir wären voll auf der von "El Proffessore" angegebenen Route. Meine Blicke folgten noch zweifelnd dem in einen Steilhang führenden Weg, als ich mir noch dachte: "Wenn Paolo diese Ackerscharte in seinem Plan als "Befahrbaren Streckenabschnitt" integriert, kanns ja nicht so schlimm werden!" Dem war aber nicht so: ES WURDE SCHLIMMER!!!

Ich lies es mir in diesem Falle nicht nehmen vorauszufahren, denn bei der vor mir liegenden Steigung hielt ich es für unvorteilhaft den blauen Doppel-Whopper vor mir zu haben! Ich hatte ein massiv beschissenes Gefühl im Bauch, als ich sah was vor mir lag...
Ich bevorzugte es auf diesem Feldweg den buckligen Rücken in der Mitte den beiden gleisschottergefüllten, tief ausgewaschenen Rinnen der Hauptspur zu bevorzugen. Ich balancierte so durch die ersten 300m des Steilhangs, dachte an die Vertrauenswürdigkeit von Jürgens Navi und fühlte mich an Star-Trek erinnert: "Und sie erreichten Orte, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat...!"
Beeindruckt von meiner Beherrschung der ZXR eierte ich durch eine Serpentine und dann wars aus! Mein letztes Bisschen Restschwung verpuffte in einer Staubwolke, als sich mein Hinterrad bis zum Felgenhorn in den Kies grub. Jetzt wurde es doch langsam warm im Leder - vor allem als ich rückwärts und auf Zehenspitzen versuchte aus meiner Furche zu kommen.
Als ich es geschafft hatte stabil stehend mein Vorderrad wieder hangabwärts zu positionieren, sah ich wie sich Klaus 2 Kurven tiefer, neben seinem Moped stehend, abmühte sein Gerät unter aufrechtstehender Kontrolle zu halten. Bis ich jedoch meinen Bock in eine Position manövriert hatte, um wieder bergabfahren zu können, war es auch schon zu spät: Seine ZXR lag in der ausgewaschenen Rinne des Weges und er stand verzweifelt winkend daneben!
Als hätte ich Nitroglicerin im Tank balancierte ich so vorsichtig wie es ging mein Motorrad den Steilhang hinunter. In der Kurve vor Klaus stellte ich es dann an einer halbwegs ebenen Stelle ab um Klaus zu Hilfe zu kommen, denn Jürgen hatte noch genug mit sich, seinem Blauen Bock und Olivia zu tun.
Als ich bei Klaus angekommen war, sah ich was passiert war:
Sein Hinterrad war von dem halbwegs stabilen Rücken dieses "Weges" in die rechte, ausgewaschene Rinne mit dem losen Schotter gerutscht. Bei dem Versuch sie da wieder rauszukommen, ist ihm der Reifen nochmehr abgerutscht und ihn hats den Bock aus den Händen gerissen.
Ihm war rein garnichts passiert, nur die ZXR lag sprichwörtlich kopfüber in dieser Rinne. Und das meine ich tatsächlich so! Die Kiste ist so unglücklich zum Liegen gekommen, daß der Motor höher als der Tank lag. Die Kanzel kam Gott sei Dank im Gras neben dem Weg zum Liegen, was Hoffnung machte, daß nicht viel passiert sein sollte.
Als sich Jürgen dann fluchend zu uns gesellte, halfen wir Klaus alter Dame wieder auf die Füße. Hätte er jetzt auch nur ein Wort zu seinem Navi in den Mund genommen, fürchtete ich die Containance zu verlieren.
Auf den ersten Blick war nicht viel passiert. Der vordere rechte Blinker hing leicht daneben, die Kanzel und der Tank waren leicht verkratzt und die rechte Seitenverkleidung - das war dann der schlimmere zweite Blick - hatte den Aufprall voll abbekommen, war an 2 Stellen gebrochen und hatte den oberen Halter eingeebnet. FUCK!!! Is schon toll jemanden mit Navi dabei zu haben, damit man sich nicht verfährt ...
Klaus nahm es überraschend gelassen und Jürgen wurde immer nervöser, in Erwartung sein Navi sonstwohin zu bekommen! Seinem schlechten Gewissen wich jedoch sehr bald die Verwunderung über die Ruhe, die Klaus und ich in Anbetracht dieses Maleurs ausstrahlten. Jetzt wars zu spät sich aufzuregen!

Also sahen wir zu wieder auf festen Boden zu gelangen. Also wendeten wir zu Dritt den lädierten Hobel und dann wurde es spannend - jetzt muß sie nur wieder laufen!
Bis der Bock wieder aufrecht stand müssen 3 oder 4 Minuten vergangen sein, daher war es nicht verwunderlich, daß sich das alte Mädchen erstmal wieder sortieren musste. Irgendwann begann es währen der Orgelei aus dem Auspuff zu rauchen. Dabei meine ich nicht die gewöhnlichen hellen Fähnchen, ich rede von Schwaden - VON SCHWARZEN, DICKEN SCHWADEN! Von sowas was man vom Traktor-Pulling kennt!!!
Langsam drängten sich erkennbare Verbrennungsgeräusche unter das Röcheln. Und als man dann ab und zu eine vernünftige Zündung wahrnehmen konnte wechselte der schwarze Nebel in blau-weißen und sie lief wieder!
Allerdings drang auch weiterhin dichter blauer Dunst aus dem Endrohr, daß jede Motorsäge beim Kaltstart vor Erfurcht ausgegangen wäre! Als wir dann das ganze Tal eingenebelt hatten, nahm sie wieder so gut Gas an, daß wir uns auf den Weg zu besagtem letzten Haus machten.
Dort hielten wir dann an - ich brauchte unbedingt ein Nikotin-Zäpfchen - und begutachteten Klausis Moped.
Als wir dann Ölverlust feststellten wurde Jürgen panisch! Klaus und mir war jedoch schnell klar, daß das Gesuppe aus dem Airbox-Ablauf kam, was auch die Gefechtsfeldvernebelung erklärte: Durch die Kurbelwellengehäuseentlüftung war ein guter Schluck Öl in die Airbox und Minuten später von da in die Vergaser gelaufen. Ich ahnte schon, wir werden auf den nächsten Kilometern viel Spaß haben - UND WIE WIR DEN HATTEN!!!

Auf dem Weg zurück in die Zivilisation durchfuhren wir also dann zum vierten Mal dieses Dreckskaff - allerdings mit satanischem Genuß!
Es war Markt im Stadtzentrum, jeder freie Platz mit Ständen bestückt und es wuselte von Menschen von jung bis alt ...
Jürgen und ich vorne weg UND DANN - KAM - KLAUS!!! gefolgt vom Nebel des Grauens, den er durch die engsten Winkel und Gassen dieses sonst so beschaulichen, typisch italienischen Städtchens, quer durch die Altstadt hinter sich her schleppte.
Ihr könnt Euch die Gesichter nicht vorstellen!!! Das ungläubige Luftanhalten bevor die Augen aus den -Höhlen treten, dieses verzweifelte Umsehen nach einer Fluchtmöglichkeit, die Mütter, die ihren Kindern auch noch Opas Unterhose ins Gesicht geknotet hätten, das panische Kreischen von nach ihren Eltern suchenden Kindern - ES WAR GÖTTLICH!!! Im Rückspiegel war deutlich zu beobachten wie hinter ihm die Welt im Nichts verschwand, wenn er den Gasgriff auch nur ansah!
Wir wählten den direktesten Weg zur Hauptstraße und bogen dann Richtung Montécchio ab. Kurz vor der anvisierten Tankstelle kamen uns dann noch die Carabinieri entgegen. Da dachte ich doch kurz was die wohl von Klaus durch Conni zugefaxten Fahrzeug- und Ausweispapieren halten werden. Aber entweder ist er da gerade gerollt und die habens nicht gesehen (bzw. gerochen), oder wir waren schneller an der Tanke, als die um den nächsten Kreisverkehr.

Jedenfalls stellten wir nach dem Tanken nur minimalsten Ölverlust im Schauglas fest und bis auf gelegentliche Huster lief sie wieder ganz normal.
Dann drängten wir zur Weiterfahrt, da sich der Himmel wieder zuzog - und wie! Nach weiteren 10 km hielten wir erneut, um uns in unsere heißgeliebten Regenklamotten zu zwängen. Und es begann zu schütten!

Schon nach wenigen Kilometern wurde es irgendwie kalt am Tank - und kälter ... und kälter ... und ... :evil: OCH NEEE!!!
Irgendwann signalisierte mir Jürgen, daß wir es geschafft hatten auf den Teil der "gelben Route" zurückzukehren, in dem es wieder asphaltierte Straßen gab. Zu dem Zeitpunkt war mir das vollkommen egal, da ich an jeder Ampel auf der Suche nach einer Undichtigkeit den perfekten Sitz meines Regenkombis feststellen konnte, mir aber dennoch kontinuierlich der Pegel in der Hose stieg!
In Velo, genau nördlich von Verona, fiel dann ENDLICH jemandem ein mal anzuhalten um was zu essen.
Für mich eigentlich ein stets willkommenes Ereignis, nicht aber dieses Mal. Nachdem ich abgestiegen war, spürte ich wie mir das Wasser IM KOMBI vom Epizentrum meines Unbehagens an den Oberschenkelinnenseiten in die Hosenbeine lief!

Vorwegnehmend: Ich weiß bis heute nicht was da los war, wo sich das Wasser gesammelt hatte und wie es überhaupt zwischen meine Beine gekommen ist, denn der Kombi war manierlich angelegt, in gutem Zustand und mit intakten Reiß- und Klettverschlüssen versehen und mein ganzer restlicher Körper war bis auf Hände und Füße absolut TROCKEN!!!

Ich wusste nicht wie ich laufen, geschweige denn meine Lage ändern sollte - es war zum :kotz:
Nachdem wir 4 in dieses Kaffee eingerückt waren und erstmal drei Tische mit unseren triefenden Klamotten belegten, um uns dann an den vierten zu setzen, war mir mein Kohldampf herzlich egal. ICH FÜHLTE MICH WIE SEIT 31 JAHREN NICHT MEHR!!! Mir wars wurscht, ich öffnete die Büchse der Pandorra und die Sache sah genauso peinlich aus, wie sie sich anfühlte! Die anderen 3 zeigten freundlicher Weise mehr Mitgefühl als Spott.
Nach dem ich dann meinen ersten Cappo zum Aufwärmen hinter mir hatte, machte ich mich auf den Weg zur Toilette, um irgendwelche Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Also stopfte ich mir eine halbe Rolle Klopapier in die Hose, denn eine Blasenentzündung war das Letzte was ich heute mit nach Hause nehmen wollte! (Als Sahnehäubchen: Ich tat dies wie sich später herausstellte in der Damentoilette des Hauses! :hammer:)
Das fühlte sich zwar komisch an, sah aber super aus! ;) Zu dem Zeitpunkt hatte ich auch noch keinen Gedanken verschwendet, wie ich das Zeug auch wieder aus der Hose rausbekomme! Aber dazu später mehr ...

Olivia war so reizend mir zudem noch ein kleines Reisehandtuch zur Verfügung zu stellen, das ich auch noch irgendwie vor dem Bauch in der Kombihose unterbringen konnte.
Nach einem Schinken-Käse-Panini und einem weiteren Cappo machten wir uns dann TOPMOTIVIERT (und trockengelegt) auf den nassen Weg, den Jürgens-Navi als die kürzeste Verbindung nach Hause angab. (M-U-H-A-H-A-H-A-HAAAAAAHHHH!!!)

Kaum zu Glauben: nach 25 km problemloser Fahrt in landschaftlich wunderschöner Gegend (St. Giorgio) bekam ich langsam wieder Vertrauen zu Jürgens Gehhilfe, als ich mir irgendwie dachte, daß es auf der Karte aber kürzer aussah, als es tatsächlich zu sein scheint. Als wir plötzlich in Erbezzo standen, war mir klar, daß wir mal wieder links mit rechts verwechselt oder einen Abzweig übersehen hatten. Nachdem jetzt aber nur mehr Hände und Füße weiterhin aufquollen, es aber immerhin halbwegs zu pissen aufgehört hatte, war es nicht mehr ganz so schlimm. Wir ermittelten unseren Standort auf der Karte, gaben die grobe Richtung vor und fuhren einfach drauf los. Als wir einen kleinen Abzweig und ein (rostiges) Schild mit einem sehr ähnlich anmutenden Namen eines Kaffs auf unserem geplanten Weg erkannten, bogen wir ab und schraubten uns über eine kleine, aber immerhin asphaltierte, Straße bis knapp unter die Wolkendecke. Auch wenn die Qualität dieses Weges nicht wirklich meinen Erwartungen entsprach - wir hatten heute schon Schlimmeres hinter uns gebracht und kamen gut vom Fleck.

Irgendwann dachte ich mir: "Hier is was ganz komisch!"
Die Straße gehörte uns, es war kein Schwein unterwegs und die Kühe neben und auf der Straße taten so, als hätten sie noch nie ein Moped gesehen. Roter Asphalt, weißer Asphalt, festgefahrener Schotter (und Kuhscheiße), und ganz selten frischer Asphalt. Die Natur um uns wurde immer unberührter, ein paar Ruinen wurden von von der Botanik zurückerobert, kein Haus, kein Mensch - NICHTS! Nur wir und dieser Weg. Ich meine es ernst: Es war TRAUMHAFTSCHÖN auch trotz des rauhen Wetters, oder gerade deswegen!
Da waren Felsformationen wie aus einem Scifi-Film und am Horizont ein Betonklotz, der irgendwie garnicht in die Landschaft passte und nach Startrampe aussah. (Star Trek, schon wieder!)
Ich dachte mir noch ... irgendwie militärisch. Was es war erfuhren wir nie, denn da kam eine Weggabelung - vor uns Schotter, links Asphalt.

Also blieben wir stehen. Jürgen bekam langsam nen Hals auf seinen Tourguide und knetete mit beiden Händen auf den Bedienungseinrichtungen herum. Ich wartete nur noch auf das Ploppen der Tasten, wenn sie auf der Unterseite des Gerätes wieder austreten würden. Doch auch nach dem dritten Reboot konnte unsere Position nicht festgestellt werden. :shock: :shock: :shock: Also blieben Klaus und ich stehen und Jürgen scoutete den Schotterweg weiter außer Sichtweite.
Als Klaus und ich so warteten kam eine Horde Wanderer in Regencapes vermummt an uns vorbei. Eigentlich hatte ich mich gefreut zu sehen, daß es hier doch noch Menschen gibt! Doch die Blicke, die uns trafen, waren alles andere als überschäumende Menschenliebe. Muß wohl das beschissene Wanderwetter sein ... SELBST SCHULD!
Doch als mein Blick auf die hiesige Beschilderung fiel, ging mir so ganz langsam ein Licht auf! Winzig kleines Schild: "Erbezzo 1,0"
:kratz: 1,0 was? Kilometer sicher nicht! Daneben war eine kleine Nummer mit einer Farbmarkierung. Darunter ein ähnliches Schild. Dieses aber mit 2 Angaben, jeweils mit einem stilisierten Mountainbike bzw. einem Langläufer daneben. :shock: Langsam dämmerte es mir!
Als Jürgen zurückgekehrt war, meinte er nur, daß es wohl soweit das Auge blicken konnte so weiterginge. Ein paar Meter weiter ein anderes kleines Schild: "Passo Fittanze 0,5"
Das hatte ich schonmal gelesen! Also nochmal auf die Karte gekuckt: Auf keiner Karte war da auch nur ein Feldweg eingezeichnet, auf dem wir von unserem Ausgangspunkt diesen Ort hätten erreichen können!
Egal, wir fuhren also dorthin, wo Zivilisation erwartet werden durfte.
Nach der dritten Kurve hatten wir wieder die (diesmal fluchende) Horde Wanderer eingeholt und nach 10 Minuten stießen wir auf eine Hütte, einen riesigen Parkplatz und eine gut ausgebaute 2-spurige Landstraße. Wir querten die Straße auf den Parkplatz und stiegen erstmal ab, um in der Hütte nach dem Weg zu fragen. Als ich mich umdrehte war mir dann schlagartig alles klar:

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Wir hatten es doch tatsächlich geschafft den dortigen Nationalpark auf den einzigen zulässigen, aber für KFZs jeder Art gesperrten, Rad- und Wanderwegen (die im Winter Langlauf-Loipen sind) zu durchkreuzen!!! AHHH, jetzt machte alles einen Sinn! Keine Navi-Ortsbestimmung möglich, die schimpfenden Wanderer, die verblüfften Kühe, die Straßen, Sperrgebiet, ...
BOAH !!! :hammer:

Während Klaus nach dem Weg fragte hätte ich mir so gerne eine angezündet, da wir jetzt wussten wo wir waren und wie wir nach Hause kommen. Aber die waren irgendwann auf diesem Tourenabschnitt in meinem offenstehenden Tankrucksack, zusammen mit Paolos Landkarte abgesoffen. Immerhin hatte ich die Möglichkeit meine triefenden Handschuhe vorübergehend aufzuwärmen:

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Nach seiner Rückkehr wussten wir wos langgeht: über den Passo Fittanze nach Ala. Ohne zu ahnen was unserwartet machten wir uns auf die hoffentlich letzte Etappe des Tages, auf den Weg nach Hause zu Paolo.
Und dieses Mal fanden wir auch völlig problemlos den Weg der auf der Karte stand. Verwunderlich fand ich nur die Anzahl der Warnschilder, die am Anfang dieser Passabfahrt standen: Anhänger, LKWs, Wohnmobile - einfach ALLES war verboten, nur keine Mopeds und Autos.

Wäre es nicht so nass und dreckig (Tannennadeln und Blätter - KEINE KUHSCHEISSE) auf dieser Straße gewesen wäre ich voller Lust in die erste Kurve ins Gefälle gehackt, aber ich bin auch so genug erschrocken!
DA SOLLEN WIR RUNTER???
Ich bin ja auch von zu Hause Berge gewöhnt, auch die hiesigen Verhältnisse härten jeden irgendwann ab, aber sowas habe ich noch nie gesehen - nicht einmal für möglich gehalten!
Seit dem weiß ich, daß in Italien wo ein Wille auch ein Weg ist, wo jeder andere Europäer eine Treppe bauen würde!
Ein derartiges Gefälle ... die ham die Teermaschine mit nem Panzer bergaufgeschleppt, anders geht das doch garnicht!
Schlagartig hatte ich das Gefühl beim leisesten Furz über den Lenker zu gehen! Wir lagen VOLL auf den Lenkerstummeln und ich dachte an Jürgen, der im wahrsten Sinn des Wortes noch Olivia im Kreuz hatte.
Dessen noch nicht genug: Die Bauen da auch noch Kehren hin!!!
Jetzt war mir warm - RICHTIG WARM! Die Straße war mistnass, meine Bremsbeläge sicherlich noch nicht soweit eingefahren, um hier Spierenzchen zu machen. Wenn sich hier einer abgelegt hätte ... NIEMAND hätte ihm helfen können, denn das Abstellen eines Mopeds auf einem Seitenständer oder gar ein Wendemanöver waren hier absolut unmöglich.
Aber wir kamen alle heil unten an und waren uns sicher unter trockeneren Umständen diese Strecke nochmal zu fahren - allerdings lieber rauf, als runter!

Auf dem Weg nach Foxi kaufte ich mir noch in Rovereto eine neue Zahnbürste und wieder war die Strecke nach oben zu nass um Kit zu geben, auch wenn es zwischenzeitig aufgehört hatte zu Regnen! :evil:
Zu Hause angekommen wollte ich nur noch eins: DUSCHEN!!!

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Paolo nahm unsere Handschuhe in Empfang und verteilte sie auf seinem Kachelofen. Die Stiefel sollten wir dann nach dem Umziehen wieder mitbringen, damit wir sie mit Zeitungen ausgestopft dazustellen konnten.
Also ab nach oben. Ich lechzte förmlich nach heißem Wasser und einer Körperreinigung.
Dazu muß man sich allerdings vorher entkleiden! Das war auch nicht das Problem! Nur habt Ihr eine Idee davon was aus der halben Rolle Klopapier um meine Glocken herum geworden ist???
Himmel, da hätte ich sie mir auch gleich eingipsen können! Haut, Haar, Klopapier, etc. alles schön zu einem unförmigen Brocken verbacken. Es dauerte eine Weile bis ich das Gröbste von meinem Körper gelöst hatte, ohne größere Kolateralschäden zu verursachen, und ich endlich unter der Dusche stand.
Oh Gott lobe den Erfinder!!! Wie geil es doch sein kann sich zu reinigen!
Nachdem ich mich wieder wie ein Mensch fühlte, verlief der Rest des Tages nach Plan: Anziehen, Stiefelstopfen, 3-Gänge schlemmen, und die verbliebenen Eindrücke des Tages in Rotwein ertränken.

Ach ja!!! Morgen wird schönes Wetter!!! (Hieß es!)


Part IV

Tag 4. Im Wirtshaus zum geilen Bock :twisted:


Nach einer traumlosen Nacht in Totenstarre erwachte ich von etwas, das ich anfangs nur sehr rudimentär wahrnahm und erst für einen Traum hielt. Aber es war da: SONNENLICHT!
Ich habe es ja nicht für möglich gehalten, aber an diesem Tag schien morgens tatsächlich die Sonne!

Klaus hat diese seltenen Momente auch gleich festhalten müssen:

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Aus meiner Perspektive (aus dem Bett) sah das dann etwa so aus:

ZENSIERT!!! (Klaus hat mich ausdrücklich darum gebeten, Euch nicht mit seinem lasziv im Fensterstock räkelnden Astrahlkörper in Erregung zu versetzen!)

Ausgesprochen gut gelaunt schwebten wir im Frühstücksraum ein. Nach einem genussvollen Morgenmahl machte ich einen Tourenvorschlag, der ohne Gegenwehr von allen befürwortet wurde: Nochmals Monte Baldo und dann auf der anderen Seite herunter nach Torri, um von dort mit der Fähre über den Teich nach Maderno überzusetzen und dann ... VALVESTINO! SABBER!!! Bild

Auch nach dem Frühstück war keine Wolke am Himmel, die auch nur einen Zweifel aufkommen ließ, daß dieser Tag ein verdammt guter Tag würde!
Wir gingen wie jeden Morgen nochmal kurz zu den Mopeds, für den allmorgendlichen Funktionstest (Vorglühen), bevor wir uns in unsere Kombis werfen.

OH MEIN GOTT!!! Was sahen die Dinger aus!
In jeder noch so kleinen Ritze, in und auf jedem kleinen Absatz hatte sich Sand und feiner Kies von der gestrigen Safari abgesetzt. Unsere Ketten waren quasi fettfrei und begannen sogar auf den Rollen schon Rost anzusetzen. Und irgendwie muss sich wohl ein größeres Steinchen in den Falten meines Regenkombis verirrt haben, mit dem ich mir herrlich den Tank im Bereich des Knies verkratzt habe. (Grummel!!!)
Also parkten wir vor Paolos Garage und wuschen erstmal den ganzen Dreck von den Böcken und quetschten den letzten Tropfen aus meiner Kettenfett-Dose. Ab heute war Klaus auch dazu gezwungen etwas langsamer zu machen, da seine Reifen unter normalen Umständen bereits am absoluten Nullpunkt waren. BT010 und italienischer Asphalt vertragen sich offensichtlich überhauptnicht!

Da mein Lederkombi von dem gestrigen Schwimmunterricht noch untragbar war, traute ich mich bei diesen Wetteraussichten sogar meinen dünneren Textilkombi anzuziehen, obwohl der eigentlich für die wirklich heißen Tage - wann auch immer ich an diese geglaubt hatte - eingepackt worden war.
Also traf man sich eine Viertelstunde nach verlassen der leeren Teller wieder bei unseren startklaren Mopeds.

Natürlich war auch diesen Morgen die heißbegehrte Strecke ins Tal an vielen schattigen Abschnitten noch nicht abgetrocknet und Klaus hatte ja schon abseits der feuchten Stellen schon genug mit dem Reifenschonen zu tun. Aber am Abend kann ich ja dann endlich mal bergauf ...

In Rovereto erstmal Tanken. Routine vor dem sorglosen Angasen am Monte Baldo - dachte ich zumindest!
Die Tanke war frei, also besetzten wir erstmal jeder eine Zapfsäule. Links hinter mir dann ein Fluchen und Klaus stürmte kopfschüttelnd zur Kasse.
In der Zeit kann er doch niemals ...
Ich hatte meinen Tank vielleicht halbvoll, da kam er wieder raus, schob sein Moped eine Säule weiter und tankte nochmal! :kratz: Öhm, naja... Ich hatte den Helm aufgelassen und war mit beiden Händen mit Schlauch und Zapfpistole beschäftigt und er stand zu weit weg um so quer über die Tanke zu schreien, was das jetzt wohl war.
Ich beendete meinen Tankvorgang und ging nichtsahnend zum Zahlen. Als ich fertig war, kam mir Klaus wieder entgegen und ich fragte dann doch: "Was bitte war das? Knoten im Schlauch?"
Die Tonlage seiner Antwort erübrigte einen zusätzlichen Hinweis, das soeben geklärte Ereignis besser nicht in irgendeiner Form zu kommentieren: "Nein, ich habe 3 Liter Diesel getankt! *MEGAGRUMMEL*"

Gott sei Dank hatte ich noch immer meinen Helm auf! Ich klappte mein getöntes Visier herunter und ich ersparte ihm mein ... schadenfrohes Grinsen, als er an mir vorbeirauschte. Auch mein Kichern kann er unmöglich mitbekommen haben. :twisted: (Aber sicher hat er sich seinen Teil gedacht.)

Zu seiner Verteidigung: Ich weiß bis heute nicht was der Unterschied zwischen Diesel, Blu Diesel und Gasolio ist! In jedem Fall kam nur aus einer von vier Zapfsäulen Benzin. Da kann man ja mal danebengreifen...

Auf jeden Fall blieben alle befürchteten Schwierigkeiten aus und seine Mühle hatte nichts gegen den zusätzlichen Schluck Schweröl einzuwenden - vorerst jedenfalls nicht!

Nachdem dann auch Klaus startklar war, sammelten wir uns an der Tankstellenausfahrt, klärten nochmals die erste Etappe und nachdem Captn. Kirk (Jürgen) meinte nach Navi über die Käffer nach Avio zu fahren, ritten wir endlich los.

Ums abzukürzen: Nachdem wir dann auf dem Weg durch Gewerbegebiete, Wohnbereiche, vorbei an der hiesigen Fachhochschule und schließlich hinter einem Studentenwohnheim in einem Feldweg am Rande einer Apfelplantage feststeckten, und Jürgen wieder meinte wir wären voll auf der Navi-Route, sagte ich nur eins: "Ich fahre jetzt über befestigte Straßen, die ich kenne nach Avio, wer kommt mit?"
Alle kamen mit, und vor allem an!

Was ein herrliches Erlebnis! Angenehme Temperaturen, Sonnenschein, schöne Strecken ... Ach, mir ging das Herz auf!
Auf halbem Weg zum Monte Baldo dann ein kurzer Kaffee-Entsorgungsstop, bevor der wirklich interessante Teil der Strecke kommen sollte.

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Dann wurde mir signalisiert, ich solle mich "nicht aufhalten" lassen. Ich merkte wie mir der Speichel in die Backen schoß, als ich mit 5-stelligen Drehzahlen und federleichtem Vorderrad in die erste Steigung reinprügelte, als ob oben meine Pizza kalt werden würde!
Tatsächlich fuhr ich dann auch im Serpentinenteil soviel Vorsprung heraus, daß ich problemlos meine Kamera auspacken konnte um zumindest einmal bewegte Bilder zu machen:

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Und bevor jetzt das Gehuste losgeht: An dieser Stelle war es bedeutend steiler, als man bei den Bildern erkennen kann!
Für mich, als alten Serpentinen-Junky natürlich kein Hindernis die beiden nach 3 Kurven wieder gehabt zu haben! :loldevil:
Die Strecke ist einfach ... In diesen Steigungen die Gänge auszudrehen ist einfach NUR NOCH GEIL!!! Und wieder fragte ich mich wie ich mit meinem alten Setup solange fahren konnte, ohne etwas zu vermissen.

Oben, auf dem Monte Baldo, haben wir uns bei herrlichster Fernsicht selbstverständlich den obligatorischen Cappu reingepfiffen - ohne ein Salami-Käse-Panini konnte man mich allerdings nicht wieder aufs Moped bewegen. Die beim Kauen festgestellten, schnell aufbrausenden grauen Wolken, indes schon!
Wo kam denn die Scheiße jetzt wieder her???
Ich hatte noch den letzten Bissen in der Backentasche, da waren wir auch schon mittendrin in dieser Wolke, die uns auf über 1600m als triefend nasse Nebelwand die Sicht nahm. (Mein getöntes Visier tat das Übrige, um mich ganz kurz im Stillen aufzuregen!)
Nach weiteren 5 km war der Spuk zum Glück auch schon vorbei und wir hatten wieder Sonne und trockene Straßen - zumindest dort wo zuvor keine Kuh den Weg gekreuzt hat.
Vor allem hatten wir auch längere gerade und auch freie Stücke! Zur größten Freude von Olivia mussten Klaus und ich diese Gelegenheit natürlich nutzen, um mal eben durchzustarten. Scheinbar hat sie nicht damit gerechnet. Denn als wir mit brüllenden Afterburnern vorbeigeschmettert sind, hätte sie Jürgen beinahe in den Tank gedrückt. :loldevil: (Gewöhnt Euch dran! Solche Hormonregulierungsmaßnahmen kommen bei uns öfters vor! :wink: )
Jedenfalls näherten wir uns problemlos dem Gardasee und hatten Spaß!
Als wir dann das östliche Ortsschild von Torri passiert hatten, bog Jürgen ziemlich unvermittelt seinem Navi gehorchend rechts in ein kleines Sträßchen ab.
Die Breite dieses asphaltierten Wanderweges entsprach nicht ganz der Norm (ich hätte mit ausgebreiteten Armen an den Gartenzäunen links und rechts von mir bremsen können) und das dann folgende Gefälle erinnerte mich sehr stark an Tag 3 - nur daß es hier nicht nur verdammt steil, sondern auch noch kurvig und bucklig war!
Wieder hatte ich das Gefühle 10 Minuten lang im Liegestütz meine neuen Bremsbeläge und mein Fahrwerk zu maltretieren. Offenbar hielt Jürgens Navi die geographische Fallinie für eine Straße!
Allerdings hatte das Ding diesmal tatsächlich Recht: Wir landeten keine 200m von der Ablegestelle der Fähre, am Ufer des Gardasees.
Dort reihten wir uns in die gottlob noch kurze Warteschlange ein, holten unsere Tickets und warteten dann etwa 20 Minuten, bis man uns auf den Dampfer drauf lies.

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Die Überfahrt war wie alle Überfahrten: Landschaftlich sehr reizvoll, angenehm kühler Wind und krakehlende, über die Brüstung gebeugte Kinder. Nur diesmal bekam ich von all dem nichts mit, da ich just genau in dem Moment Franks News-Ticker-SMS bekommen hatte und natürlich sofort einen ersten Versuch starten musste.

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Nachdem ich mit dem ersten SMS-Kurzbericht fertig war, hatten wir auch schon das andere Ufer erreicht.
Noch bevor wir die Motoren starteten nannten mir meine drei Wegkumpanen unabhängig von einander das nächste Primärziel: ESSEN!!!
:twisted: :twisted: :twisted: Wer hatte da doch noch gleich mein 11:30-Uhr-Panini belächelt?

Und runter gings vom Kahn. Nach den typischen Drängel- und Schiebemaßnahmen beim Verlassen der Fähre landeten wir auch gleich auf der Uferstraße und visierten die nördlich gelegene Einfahrt zum Valvestino an - nicht ohne den mehrfach erfolgten Hinweis auf hungrige Mägen.
Ok, einmal war ich vorne und muß was Einladendes übersehen haben, wie mir Jürgen klar machte, aber dann fanden wir ein kleines Bilderbuchrestaurant direkt am Ufer und oberhalb eines verträumten und dünnbesetzten Strandes.

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Die Wolke am Monte-Baldo war übrigens noch immer da oben. Die Aussicht scheint auch ihr gefallen zu haben. ;)

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Bedauerleicher Weise war es bereits 14:00! Was sagt das dem erfahrenen Italien-Touristen???
Genau! Zu dieser Zeit gibt es in ganz Italien NICHTS MEHR ZU ESSEN!!! (Hätte ich nicht gegen 11:30 auf dem Monte Baldo mein Teilchen gehabt, wäre ich allerspätestens jetzt amokgelaufen!)
Also einigten wir uns mit dem jungen Kellner auf ein paar Getränke und einen Griff ins Eisfach.
Also saßen wir unter wildem Wein vor unseren An-alkoholika und genossen die Aussicht auf den Strand. Nur als Olivia von der Toilette kam, wurde dem Rest klar, daß sie diesen wohl noch nicht als solches wahrgenommen hatte! Sie mag keine Eiswürfel. Also weg damit! Sie packt ihr halbgefülltes Glas und schleudert den frostigen Inhalt einfach über die Brüstung!
Klaus und ich starrten uns an und warteten auf lautes Fluchen von unten - VOM STRAND!
Doch (leider) hatte sie niemanden getroffen, denn die Muttis dort unten flezten weiterhin unbeeindruckt wie die Walrösser in der Sonne und rührten sich nicht. Nur Olivias Gesichtsfarbe passte sich vorrübergehend ihrem Schrecken an.

Unser Aufenthalt war denkbar kurz - die 3 hatten ja noch immer seit dem Frühstück nichts zu beißen bekommen, außer einer Eistüte.
Also machten wir uns wieder auf den Weg Richtung VALVESTINO.
Nachdem wir uns dann durch ein quer durch den Ort verlaufendes Einbahnsträßchen geschlängelt hatten, erreichten wir an dessen Ende auch das hintere Ende eines Staus auf der Hauptuferstraße.
Weiß der Geier oder weiß er nicht: Wir schlängelten uns weiter bis zur Abfahrt in die Berge.
Sofort ging es in Serpentinen nach oben, die uns allerdings durch regen Verkehr mit Bussen und LKWs erstmal versaut worden sind. Naja, wir sind ja noch im Ort ...

Und dann gings los ... GEIL!!!
Wie ein theatralisches Musikstück hat jemand diese "Overture in Asphalt-Dur" komponiert! In immer schönerer Landschaft (die mich sehr schnell bedauerlicher Weise kein Stück mehr interessiert hat) werden die Geraden kürzer und die Kurven enger... und enger... und enger... Rechts von mir blanker Fels, links von mir 25m freier Fall in türkis-blaues Bergseewasser.
Wie ein Crescendo steigert sich der Streckenverlauf in eine immer verschnörkeltere Streckenführung - kein Meter gerader Asphalt, als würde man sich entlang den ausgestreckten Armen, auf den kurvigen Weg über den Körper einer Göttin machen. Natürlich auch mit recht hinterfotzigen Stellen, an denen man meint den weiteren Streckenverlauf erahnen zu können und bereits dabei ist die Flugrichtung in die erwartete nächste Kurve zu korrigieren, nur um dann festzustellen, daß das, was man zu sehen gemeint hatte, bereits die übernächste Kurve war und dazwischen noch ein überraschender, zweiter Haken in den Fels geschlagen worden ist, in den man seine Mofette erstmal reingedrückt haben muß. (Anm. d. Autors: Was ein Satz!!!)
Es macht unbändigen Spaß diese Strecke zu fahren! Wenn man hier aber nicht aufpasst und mit Schaum vorm Mund die letzten Reserven bereits am Verheizen ist, kann man sehr schnell ein Problem mit den bereits genannten Felswänden bekommen. Einige Male war ich kurz vor einem Stoppi, weil da eben VOR dem, was man zuvor sehen konnte, eben noch irgendeine unvorhersehbare, geile Gemeinheit eingebaut worden ist.
Geschwindigkeit ist hier übrigens vollkommen relativ! Man hat eh keine Chance auch nur auf den Tacho schielen, geschweige denn etwas ablesen zu können. Man nimmt einfach nichts mehr bewusst wahr, außer Radien, Bögen, ... und das Gehirn steht unter Volllast die augenscheinliche Ideallinie mit der aufgenommenen Streckensicht und der anliegenden empfundenen Geschwindigkeit zu vereinen.
Ihr könnt Euch nicht vorstellen wie einem da der Dreizack des Leibhaftigen in den Hintern fährt, wenn da auf einmal ein etwa 20 km/h schneller Kieslaster aus der nächsten Kurve mitten ins Bewußtsein springt! Wie, was will der denn hier?
Hammer, was so hypnotisiert die kleinste Banalität auf emotionaler Ebene in einem bewirkt! Man erschrickt, als ob eine Horde Orks axtschwingend auf einen warten würde!

Auf halber Strecke muß der Straßen-Architekt dann seinen ersten Orgasmus gehabt haben: Dort hat er (zum Luft holen) eine Brücke über einen Nebenarm dieses bis jetzt nicht beachteten Sees gespannt. In "der Kurve danach" habe auch ich mich entschlossen der Schönheit dieses Sees eine Zigarettenlänge die wohlverdiente Beachtung zu schenken:

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Diese Brücke hats übrigens auch sehr intensiv in sich!
Nach dem man über mehrere Kilometer voll auf das maximal 20m vor einem liegende Nahfeld konzentriert war, reagiert das in Adrenalin schwimmende Gehirn nur leicht verzögert auf diese krasse Streckenveränderung. Man fährt zwangsläufig am persönlichen Limit - über Kilometer! Und dann kommt so ne Gerade. Also lässt man den Hahn voll offen, was sich recht ungünstig auf die am Brückenende liegende 90°-Kehre auswirken kann. Der Asphalt ist nämlich pfeilgerade bis an den Rand der Felswand verlaufend, als könne man einfach durch einen Vorhang hindurch ins Paradies fahren!

Nach dem wir (und der Straßenarchitekt) uns wieder beruhigt hatten, ging es voller Genuß in ein Dacapo - auch der verbliebene Teil der Strecke stand dem hinter uns liegenden in keinster Weise nach!
Frank hat hier letztes Jahr übrigends ne Cam auf dem Tank gehabt!
Um meine oben stehende Extase in bewegten Bildern darzustellen, bin ich mal so frei:

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UND: Auch wenn einem schon bei diesem Filmchen der Saft in die Lenden fährt - FAHRT DAS MAL SELBER!!! U N B E S C H R E I B L I C H ! ! !

An der Kaffete, an der Frank letztes Jahr die Cam ausgeschaltet hat, lümmelten die Lokalmatadoren gelangweilt auf ihren Böcken herum. Hinter ihnen blieb ich geduldig stehen und wartete auf den Rest der Crew.
Hatte sie mein Landeanflug nicht beeindruckt: Mein Start wie sich rausstellte schon! Sobald Klaus und Jürgen in Sichtweite waren gab ich Kit auf die Kette und flog wieder los, weiter in die nächste Kurve. Was nach mir passierte bekam ich nicht mit. Aber wie sich Kilometer später herausstellte, hatten die beiden wohl irgendetwas Penetrantes auf ner brüllenden Hornet im Kreuz.
Da von den Beiden keiner Bock auf ein Rennen auf unbekannten Terrain hatten (mit Sozius bzw. fertigen Gummis auch nicht wirklich in Frage stehend) ließen sie den Typen vorbei.
In der nächsten Ortschaft stellte ich mich gegenüber einer Kneipe an den Straßenrand und wartete auf meine Weggefährten.
Ich dachte erst Klaus gibt seinen Reifen jetzt doch den Rest, als ich schon von Weitem einen röhrenden Auspuff hörte, aber nein, es war eine Hornet mit offener BOS-Tröte und italienischem Kennzeichen. Da wunderte ich mich allerdings doch, wie ungewohnt übertrieben mich dieser Kammerad im Vorbeiflug grüßte. Nachdem mir 2 Minuten später berichtet wurde, wie besessen der Typ gefahren sein soll, war ich irgendwie froh außer Sichtweite gewesen zu sein. Denn wenn der Typ direkt hinter Klaus und Jürgen durchgestartet hat, kann ich nicht wirklich langsam gewesen sein! :lol:

Nachdem wir uns wieder gesammelt hatten, klargestellt worden ist, daß Klaus langsam wirklich HUNGER hatte und wir die Aufmerksamkeit einer handvoll gutbetagter Rentner auf der gegenüberliegenden Terasse erregt hatten, setzten wir uns wieder unter schallendem Jubel der Rentnergang in Bewegung (da war echt Laola angesagt! :kratz:), um nun wirklich den nächsten Futterschuppen anzufliegen. Hätte ich allerdings gewusst was uns dabei erwartete, hätte ich Klaus mein Vormittags-Häppchen nachträglich auf einem Silbertablett geschenkt!

Die weitere Strecke war für hiesige Verhältnisse gewöhnlich - also für deutsche Verhältnisse GIGANTISCH.
Nach und nach beruhigte ich mich und fand zu einer normal-vernünftigen Fahrweise zurück, auch wenn ich meinen Vorsatz jetzt wirklich anständig zu fahren unmittelbar vor einer Tunnelbaustelle misachtete und an einem (für meine Verhältnisse) trödelnden TDM-Fahrer vorbeiballerte. Als hinter mir dann Klaus und Jürgen aufliefen, winkte er die beiden einfach nur vorbei.
Einen Kilometer später vereinten wir uns dann wieder an einer Tunnelbaustelle, bis wir wieder fahren durften.

Gleich dahinter dann ein oberhalb der Straße liegendes, geöffnetes und auf den ersten Blick einladend wirkendes Wirtshaus.
Ich deutelte nach links oben und verrenkte mir den Hals nach den Anderen, und als mir signalisiert wurde, daß dieser Laden den Ansprüchen genügen sollte, zog ich einfach nach links und hoch auf den Parkplatz.
Wir stellten die Mopeds hintereinander, in einer Reihe ab, als ob uns der Laden alleine gehören würde - was er faktisch auch tat. Nur wieso wurde mir erst etwas später klar ...

Die Terasse gehörte uns, die Küche hatte riechbar geöffnet und der Ausblick auf den Idro-See war wirklich schön. Also suchten wir uns den schönsten Tisch und ich saß mit dem Rücken zum Eingang und mit freier Sicht (von Klaus abgesehen :wink:) auf den unberührt unter uns liegenden See.
Die Karten lagen auf dem frisch gedeckten Tisch, im Hintergrund lief die Hitparade - alles in allem ein sehr angenehmes Ambiente.
Also griff ich - in dieser Hinsicht bin ich ja die Solidarität in Person - wie auch alle anderen nach einer Speisekarte und begann nach einer Gaumenfreude zu suchen. Und es kam der Moment in dem meine Welt in sich zusammenstürzte...

Ich wunderte mich noch beiläufig: "Holländisch als Primärsprache (1. Zeile) in einem Restaurant am italienischen Arsch der Welt???" :kratz:, da hauchte mir eine butterweiche, verführerische, filmreif erotische Stimme von links oben die Frage nach meinem Getränkewunsch ins Ohr, daß mir augenblicklich die Sinne schwanden.
Völlig unwillkürlich drehte ich meinen Kopf in die Richtung, aus der dieser Wohlklang stammte und da waren sie: AUGEN! Von oben auf mich Unwürdigen herab gesenkte Augen wie... die Tiefe des Idro-Sees unter uns, von der Klarheit und der Farbe seines Wassers an einem Frühlingssonnentag so blau, die Augenbrauen wie von Amors Hand gezupft und der Liedstrich wie von da Vinci selbst gezogen!
Ich holte gerade Luft um einen Satz zu formulieren wie "Hey Baby, Hammeraug ..." :? :shock: :kotz:
In diesem Moment hatte ich den Zoom meines Blickes soweit zurückgefahren, um die Gesamtheit meines Gegenübers zu erfassen.
Hier stimmt irgendwas nicht! Ja was war das denn???
1,90 groß, Schultern 1,50 breit, kurze, platin-blond-gebleichte und gegelte Haare, ja und wo sind denn Deine ...

Kennt Ihr den Moment, im dem alles in einem erstarrt, als hätte man einen Schluck flüssigen Stickstoff genommen? Wenn einen die Erkenntnis der Tatsachen trifft, als wäre man gegen eine Felswand gesprungen? Ich meine, wenn man am ganzen Körper fühlen kann, daß sämtliche Körperfunktionen stillstehen, um im unmittelbar nächsten Moment rückwärts laufen wollen? So wie Gänsehaut nach Innen?
Dieses Gefühl, wenn sich wirklich alles in einem zusammenzieht und man nur noch unsichtbar verpuffen möchte?

VOR MIR STAND DIE SCHLIMMSTE HARDCORE-TUNTE, DIE ICH IN MEINEM GANZEN LEBEN NÄHER ALS EINEN HALBEN METER AN MICH HERANGELASSEN HABE!!!

Dessen aber noch nicht genug! Nachdem ich noch um meine Besinnung kämpfend das Wort "Cappuccino" aus mir herausquetschen konnte, ohne ohnmächtig zu werden, öffnete ich weit genug meinen Wahrnehmungshorizont, um zu erkennen wo wir tatsächlich eingeschlagen waren:
  • Das "Ristorante" hieß "Holland".
  • Es gab Carlsberg-Bier
  • Es hingen Bilder vom Wattenmeer, Rudi Carell mit Trauerflor und Frau Antje an der Wand
  • Es lief ein holländischer Sateliten-Radio-Sender


Daß nicht noch ne Windmühle im hinteren Teil des Gartens stand konnte vermutlich nur durch Interventionen der italienischen Behörden verhindert werden. "Erleuchtet" erkannte ich dann auch den zuvor ausgeblendeten Dialekt, den Blondy in seiner schleimigen Stimme vor sich her hauchte.
Ihr könnt es Euch nicht vorstellen, wieviele Gedanken und Vorgänge gleichzeitig in einem ablaufen können! Von allen Höllen Italiens hatte ich die Schlimmste gefunden!
Dennoch hat die Beherrschung gesiegt und am gesammten Tisch hatte sich jeder soweit im Griff, sich seine Gedanken nicht anmerken zu lassen. Ich verkniff es mir sogar später bei dem Gang auf die Toilette (das war gerade ja immerhin der dritte Cappu des Tages) meinen Rückenprotektor wieder anzuziehen!

Nachdem wir unseren Cappu getrunken hatten (der Gott sei Dank auch sehr italienisch schmeckte) zentrierte ich mich und meinen Adrenalinspiegel wieder auf halbwegs normales Betriebsniveau und versuchte das zweite Mal die Karte so zu lesen, daß auch ich etwas zu Essen fand. Klaus und ich entschieden uns für eine Portion-Nudeln. Wir hätten aber auch Käse aus Holland im Pfannkuchen haben können! :hammer:

Nachdem wir dann eine in der Tat hervorragende und (zu Blondies größter Enttäuschung) unbezwingbar, riesengroße Portion Carbonara, soweit wir kamen, vernichtet hatten, ergriffen wir die Flucht!
Nein, so schlimm wars nun auch wieder nicht! Wir aßen bis der Kombi noch gerade so eben zu ging und machten uns auf den Weg, da die aktuelle Zeit (ca. 17:00) Zweifel aufkommen lies, pünktlich zum Abendessen wieder zu Hause zu sein. Als ob ich heute noch was essen könnte ... !

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Ich war jedenfalls erleichtert wieder in Bewegung zu sein. Allerdings machte sich beim Start Klaus' Tankinhalt in Form eines blauen Wölkchens bemerkbar. Außerdem roch es irgendwie ungewöhnlich. Jedenfalls nicht nach dem mit Behagen in meine Erinnerungen gebrannten Wohlgeruch eines ZXR-Massenstarts in abgeschwächter Version.

Die Heimreise nagte etwas an den Nerven. Der inzwischen angewachsene Rushhour-Verkehr bestand zu einem großen Teil aus Touris, Wohnmobilen und älteren Menschen, die eben nicht schneller fahren wollten als 60-70 km/h. Außerdem galt fast permanentes Überholverbot.
Da wir uns ungefähr vorstellen konnten, was um diese Zeit wohl in Riva am Gardasee lossein musste, entschieden wir uns diese Stadt zu umfahren. Lieber ein paar km mehr, als im Stau zu stehen.
Dabei verfuhren wir uns natürlich noch 2 mal auf der Suche nach einem Abschneider über die Berge. War mir aber egal, da wir wieder reizvolle, neue Strecken fanden, die ich noch nicht kannte und gerne wiederbefahren werde.
Kurz vor dem Tunnel zwischen Rovereto und dem Gardasee, in Arco musste Klaus auf Reserve schalten, und das Grauen ging in eine neue Runde. :shock:
Ich erinnerte mich schlagartig: Diesel ist schwerer als Benzin! Die ganze falsch getankte Suppe lag noch im Tank!!!
Und das was jetzt aus seinem Endrohr kam roch nicht mehr nach Rennstrecke, sondern Baustelle! Von Teer-Maschine bis Wacker-Stampfer ging mir so ziemlich alles durch den Kopf, um einen passenden Begriff für diese neue Duftnote zu finden. Also zog ich es vor, nicht weiter hinter Klaus zu bleiben und einfach die nächste Tankstelle anzufahren, um die Welt vor weiteren Geruchsbelästigungen zu verschonen.
Auch Jürgen war diese Veränderung aufgefallen und er befahl seinem Navi uns auf direktestem Wege an eine Tanke zu führen. Mit dem Ergebnis in einem Baustellen-Chaos mitten in Arco zu landen. Wie kann es in einem Ort dieser Größe nur eine Tanke geben???
Dank Jürgens "Professore" landeten wir dennoch bald in einem Gewerbegebiet, das auch eine Tankstelle beherbergte.
Und während wir so tankten stellten wir 3 Dinge fest:
1. Es war eine gute Idee Riva zu umfahren, denn der Verkehr war hier gelindegesagt zum Kotzen und es galten ausschließlich italienische Verkehrsregeln!
2. Es wurde dunkel! Ganz toll mit nem verdreckten getöntem Visier in der Dämmerung rumzufahren! Und dem noch nicht genug:
3. In Richtung unseres Heimathafens wartete ein bereits blitzendes Gewitter auf uns!

Auf der Fahrt zum Tunnel trafen uns schon die ersten Tropfen und ich erwartete Petrus' blanken Zorn am anderen Ende des Tunnels. Glücklicher Weise war dieser jedoch nicht gegen uns gerichtet, so dass wir halbwegs trocken und zu Paolos Ärger etwa eine halbe Stunde nach dem regulären Abendessen nach Hause kamen (Das kann er, wie wir erleben durften, garnicht ab!).
Die Straßen waren natürlich wieder so nass, daß, wie bisher jeden Tag, auch heute kein Endspurt auf der SS46 möglich war. Dafür erwischte es passender Weise 2 Holländer, die erst viel später, nach unserem gewohnt hervorragenden Abendessen, bei Paolo eintrafen und beinahe aussahen, wie zwei Wasserleichen-Zombies. Die hatten sich bei einem Tagesausflug in die Schweiz irgendwie beim Abbiegen vertan ... :rock:
Zu diesem Zeitpunkt gaben wir uns bereits der zweiten Flasche von Paolos Rebensaft hin und feierten den bis jetzt schönsten Tag unseres Urlaubes. Und das sollte er mit Ausnahme der Heimreise auch bleiben!
Woher soll ich wissen was ich denke, wenn ich nicht lese, was ich schreibe?

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Grammatik gelernt bei Yoda Du hast???

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Tie
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Beitrag von Tie »

Part V

Tag 5. Die Ruhe vor dem Gipfelsturm


Die Nacht verbrachte ich auf den äußersten 15cm der linken Bettkante. Klaus lag rechts neben mir und hatte das Doppelbett für sich alleine.
Selbstverständlich unterstelle ich unserem Admin keinesfalls falsch verdrahtet zu sein, aber ein klein bissi traumatisch kanns einem schon ergehen, nach der Bekanntschaft mit "Blondy aus Holland"!
Wir erwachten bei - oh Wunder - wieder schönem Wetter.
Beim Frühstück erwähnte ich, daß meine Nachbarn und guten Freunde seit gestern auch irgendwo im näheren Umfeld des Gardasees eine Woche Urlaub hätten. Da Klaus und ich eh nochmal shoppen wollten, um die erwarteten Mitbringsel für Freundin bzw. Familie zu besorgen und dies ja eh der der letzte Tag vor der Heimreise war, entschieden wir uns es heute etwas ruhiger angehen zu lassen und unsere Kräfte für die morgige Heimfahrt aufzusparen.

Was ich beim 3. Tagesbericht vergessen hatte zu erwähnen:
Wir fanden auf Paolos Wühltisch eine italienische Motorradzeitung. Die konnten wir zwar nicht lesen, aber Fotos waren ja auch drin.
Und da war dann alles klar: Passo die Stelvio - das Stilfser-Joch muß auf dem Heimweg irgendwie mit eingebaut werden!
Daß knappe 2800m nicht gerade ne Delle in der Landschaft ist, is klar. Aber es sollte sich später herausstellen, daß dies ein sehr weiser Entschluss sein sollte.

Also war Torbole am Gardasee abermals unser Ziel. Wir wissen ja jetzt, daß es dort geile Pizzen und schöne Boutiquen gibt um die Daheimgebliebenen (fürs nächste Jahr) milde zu stimmen.
So fragten wir beim Frühstück unsere ans Herz gewachsenen Nordlichter, ob sie uns begleiten oder eigene Wege gehen wollten.
Da die beiden ja noch eine mehrwöchige Tour über die Schweiz geplant hatten, entschieden sie sich uns zu begleiten.

Der direkte Weg erfüllte selbstverständlich nicht unseren inzwischen beträchtlichen Streckenanspruch. Also zog es uns nördlich von Rovereto in die Berge. Diese Strecken kannte nämlich noch keiner von uns und die Karte versprach eine neue Runde Kurvenspaß.
Und wir wurden nicht enttäuscht!
Durch zum Bersten vollhängende Weinberge schraubten wir uns nach oben auf ein Hoch-Plateau. Die dortige Besonderheit: Enge aber gut ausgebaute steil-kurvige Straßen und Gemüse-Felder. Da oben wächst wirklich alles! Und wenn man doch mal den Blick zur von der Straße wendet ist es schon ungewöhnlich Kohl, Karotten und was weiß ich noch alles auf fußballfeld-großen Ackern in voller Pracht sprießen und gedeihen zu sehen.

Der Weg von dort runter nach Arco hatte es was Gefälle angeht wieder kräftig in sich. Ok, wir hatten in den vergangenen Tagen schon "Schlimmeres" erlebt, dennoch werde ich auch diese Kurven gerne nochmal in Angriff nehmen.

Kurz nach Mittag liefen wir dann (hungrig) in Torbole ein.
Nachdem wir uns wieder die schönsten Parkplätze am Ufer ausgesucht hatten, schlenderten wir diesmal in die andere Richtung, vorbei an von Afrikanern bewachten Tischläden, die dort ihre Stammeskunst (Schnitzereien, Leder-Fummel, etc.) feilboten (und ich dachte ich wäre in Italien!), am Seeufer entlang, um uns ein nettes Ristorante zu suchen und dann die Souvenirs einzukaufen. Relativ schnell stellten wir fest, daß Torbole recht überschaubar ist. Also ließen wir uns in einem ummauerten Garten mit Limonenbäumen nieder und lasen uns durch die 60 zur Auswahl stehenden Pizza-Variationen.

Mal wieder zum Platzen vollgefressen visierten wir gegen 13:30 die Shopping-Meile an, mit dem äußerst ernüchternden Ergebnis, daß genau um diese Zeit die italienische Mittagspause begonnen hatte (... und bis 15:30 andauern sollte!). :evil: :evil: :evil:

Wir hatten uns gerade für Plan B entschieden - Jetzt EISESSEN, denn das sollte man als Italien-Touri ja auch mal gemacht haben und später nochmal runterfahren - als wir bemerkten, daß aus Richtung Süden Petrus wieder mit vollen Eimern auf uns zu hielt.
Da diesmal wirklich niemand mit Regen gerechnet und nur leichte Klamotten anhatte, hielten wir es für sinnvoll uns dann eben doch verfrüht auf den Heimweg zu machen - und so wie das was da auf uns zukam aussah auf den direktesten Weg!

Der Himmel zog sich dennoch erfreulich langsam zu, so daß wir nach einem Knetomatenstop (morgen muss ja Paolo bezahlt werden!) bei Trockenheit die SS46 in Angriff hätten nehmen können.
Ich weiß bis heute beim besten Willen nicht wieso, aber ich hab die rechte Hand, nachdem ich kurz hinter der Stadtmauer schonmal kräftig vorgeglüht hatte, unbewusst wieder ganz ruhig gehalten, bis wir wirklich das Ortsendschild von Rovereto erreicht hatten - und das war gut so! DA STANDEN SIE!!! Die Carabinieri!!! Mit Strahlenwaffen auf mich angelegt und die Kollegen mit der MP in der Hand!
Aber ich bin ganz friedlich und selbstverständlich freundlich grüßend mit 49,913km/h an den Jungs vorbei gerollt, um hinter dem Ortsschild dann wirklich in den kurzen Tunnel reinzuhämmern und auf die Ideallinie zu spechten, daß den Jungs die Tränen kommen sollten.
Klaus, ein kurzes Stück hinter mir, meinte auch, daß die Rot-Blauen wohl irgendwie aussahen, als hätten sie was anderes vorgehabt, als uns vorbeirollen lassen zu müssen. :twisted: Tja, so is das Leben! Hätten die Klaus mit seinen Reifen erwischt ... Na besser nicht dran denken!

Dies war die erste wirkliche Chance mit echtem Biss dieses göttliche Stück Asphalt in Angriff zu nehmen! Aber Klaus und ich hatten ausgemacht uns eine Besonderheit dieses Tals mal in Ruhe - und nicht aus der Ferne und nur für Sekundenbruchteile - anzusehen:

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Ich habs ja auch nicht so mit der Kirche, aber dieses Bauwerk ist schon wirklich beeindruckend! Aber ists ein Wunder, so wie die schon Straßen bauen?

Bei den ersten dicken Tropfen machten wir uns auf die letzten Meter zu Paolo. Wir waren gerade angekommen, da öffnete der Himmel seine Schleusen und ein Gewitter entlud sich wieder über unseren Köpfen. :(
Wir nutzten die Zeit, um die morgige Tour zu planen (und beteten im Stillen, daß die Heimreise trocken verlaufen würde!)
Etwa eine Stunde vor dem Abendschmaus kam die Sonne wieder raus. Ich war noch am Überlegen, ob ich nicht jetzt sofort nochmal nach Torbole runter brenne, aber dann wäre ich dem Gewitter gefolgt. Dann vielleicht doch morgen ne Stunde früher raus ... :kratz:
Jürgen hatte allerdings noch Lust auf ne kleine Runde den Paß Richtung Vincenza zu hacken. Na das lasse ich mir nicht 2 mal sagen!

Und wieder war die Straße wirklich nur auf den kurzen sonnigen Abschnitten trocken und gut befahrbar. 70% der Strecke waren - wie schon die ganze Woche - NASS!!! :kotz: Aber vielleicht war es auch ganz gut so.
Ich war das erste Mal mit Jürgen alleine und ohne Olivia unterwegs. Ich gebs zu, an der ein oder anderen Stelle hab ichs mal versucht. Aber nur um festzustellen, daß nasse Pisten kein Terrain zum Spielen sind und man einfach akzeptieren muß, daß unsere Ladies gegen Bomber dieser Güte nicht mal ansatzweise anstinken können!
Dort wo ich schon Gänsehaut im Nacken hatte, saß Jürgen auf seinem Dreitopf wie Hanniball auf seinem Elefanten. WELTEN!!! Trotzdem wars lustig!
Pünktlich zum Abendessen waren wir wieder zu Hause. Unmittelbar danach wurde gepackt und dann mit spürbarer Wehmut die letzte Flasche Rotwein geköpft und die Heimreiseunlust vorübergehend ertränkt.
Mein Gott, wo ist die Zeit geblieben... ??? Ich hatte das Gefühl gerade erst angekommen zu sein!


Part VI

Tag 6. Das fulominante Finale - Die Heimreise


Die Sonne hatte es noch nicht über die Bergspitzen geschafft, als uns mein Handy aus dem Land der Kurventräume zurück in die Realtität beorderte. Es kam soetwas wie Wehmut in mir auf, als ich mir bewusst wurde, daß dieser Morgen vorerst der letzte sorgenfreie Start eines Tages sein sollte.
Und was das für ein Morgen war ...
Auch wenn Foxi noch im Schatten der Morgensonne lag, war sofort klar, daß uns Petrus wenigstens auf der Heimreise für unsere Hartnäckigkeit mit Götterwetter belohnen wollte.

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Nicht eine Wolke, nicht eine Nebelschwade, schon in der Früh kein feuchter Fleck auf den Straßen - NICHTS!!! Es war der perfekte Tag - ABER DOCH NICHT FÜR DIE HEIMREISE!!!
Ich war hin und her gerissen, ob ich nun nen Hals schieben sollte, daß ausgerechnet heute wirklich perfektes Kurvenwetter sein sollte, oder ob dies die denkbar beste Einladung war, um wiederzukommen.
Ich entschied mich für letzteres, als Klaus und ich begannen die letzten Brocken einzupacken und uns auf den Weg zum letzten Frühstück dieses Urlaubs zu machen.

Wir waren eine Stunde früher dran als sonst, da wir ja gestern Pech hatten und noch immer keine Souveniers für unser Empfangscommité zu Hause besorgen konnten. Also haben wir deshalb kurzerhand unsere Route entsprechend angepasst.
Fluchend und enttäuscht nahmen wir unser Frühstück ein. Weder Klaus noch ich hatte auch nur ansatzweise das Bedürfnis heute nach Hause zu fahren. Aber sowas von überhaupt garnicht!!!
Jürgen und Olivia gesellten sich zu uns und auch den beiden war anzumerken, daß sie bei dem Spaß, den wir gemeinsam in den letzten Tagen gehabt haben, nichts dagegen gehabt hätten, noch ein paar gemeinsame Touren zu fahren. Immerhin entschieden sich die beiden uns ein kurzes Stück auf unserem Heimweg zu begleiten.

Nach dem Frühstück räumten wir unser Zimmer und nahmen die letzten unangenehmen Hürden vor dem Aufbruch.
Die erste Hürde - das Bezahlen bei Paulo - lief erfreulich harmlos ab. 36€/Nacht Halbpension bei der Qualität ... Da wären noch für 2 Nächte Platz im Geldbeutel gewesen! :evil:
Aber der Abschied...
Nach dem Verzurren unseres Gepäcks standen wir mit Paolo vor seiner Haustüre ... Er lud uns ein wiederzukommen, wann immer wir wollen und die ersten Horden glücklicher Biker prügelten an uns vorbei - BERGAUF natürlich! Nicht wie wir gleich, bergab, gen Heimat.
Natürlich kommen wir wieder! GANZ BESTIMMT SOGAR!!! Ciao, bella Foxi!!!
Und dann ritten wir gegen 9:00 los. 1. Ziel: Torbole zum 3.

Auf dem Weg nach unten verhädderten wir uns in einem Schwarm Rollern, die ums Verrecken nicht ihren Formationsflug mit 50km/h auflösen wollten und auch nicht daran dachten vielleicht etwas den Abstand zu erhöhen, um uns nicht zu zwingen an 15 renterbesetzten Leukoplast-Bombern aufeinmal vorbeibrettern zu müssen. Aber was soll man erwarten, wenn ein Haufen Opis in Jeans-Jacken, Turnschuhen und Brain-Caps ihre letzten Easy-Rider-Gefühle erlebten?
Ihr denkt jetzt vielleicht, was daran problematisch sein soll, die Typen einfach zu passieren. Aber bepackt bis oben und bei dieser Strecke...
Dennoch ist (zumindest mir) genau das passiert: In einer langen und schon vorher einsehbaren Linkskurve gab ich Stoff und konnte im Rückspiegel beobachten wie ich sie aus ihrer Formation wehte, wie einen Haufen Laub. Ob sie aus Schreck oder sonstigen Gefühlsausbrüchen die Containance verloren, war mir herzlich egal, Hauptsache vorbei und raus aus dem 2-Takt-Dunst.
Weiter gings auf direktem Weg nach Torbole.

Wir parkten, wo wir immer parkten, an der Seepromenade. Jürgen und Olivia platzierten sich genau gegenüber auf der Terasse eines Straßenkaffees, um unsere bepackten Böcke zu bewachen, und Klaus und ich schwärmten aus, um unsere Heimkehrer-Pflicht zu erfüllen.
Da ich ja schon letztes Jahr eine Boutique gefunden hatte, die ausschließlich Klamotten zu moderaten Preisen nach Krümels Geschmack anbot, wusste ich, daß ich unmöglich länger als 10 Minuten benötigen würde, um meinen finalen Cappuccino am Gardasee-Ufer zu genießen, bevor es wirklich losging. (Der liebe Gott möge an dem Tag mein Konto sperren und mich meinen Geldbeutel vergessen lassen, an dem ich mit Franzi diesen Laden betreten werde!)
Nach 11 Minuten, einer vollgestopften Plastiktüte und um ??€ erleichtert, war ich wieder am Treffpunkt. Klaus hatte es doch tatsächlich geschafft noch schneller zu sein. :roll:
Nachdem uns dann gesagt worden ist, daß die Bedienung dieses Kaffees noch im Wachkoma schlafwandelte, der von unserem Wachpersonal georderte Kaffee ewig gedauert hatte und wir noch weitere 10 Minuten für die Bezahlung benötigten, brachen wir unverrichteter Dinge gegen 10:10 Uhr, ohne obligatorischem Morgen-Cappu :evil:, auf.

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Nachdem ich meine Errungenschaften bei Klaus untergebracht hatte, mussten wir uns nun auch, NICHT OHNE EINE GEHÖRIGE PORTION NEID, bei Jürgen und Olivia verabschieden, die noch weitere 14 Tage im Kurvenparadies und in der Schweiz vor sich hatten.
Nochmal Danke an die beiden! War lustig mit Euch! Ich freue mich auf ein Wiedersehen!!!

Mit einer ordentlichen Portion Frust im Bauch machten wir uns auf den Weg über Arco Richtung Madonna di Campiglio.
Klaus merkte mir deutlich an, daß ich angesackt war jetzt heim zu müssen. Und die ganzen Touri- und Rentner-Kolonnen reizten mich zur Weißglut! Nur schnellstmöglich raus aus den Tälern und wieder hoch in die Berge! Aber wenigstens heute sah es nicht nach Regen oder Nebel aus, auch wenn meine augenblickliche Stimmung dazu gepasst hätte.
Irgendwo vor Tione die Trento hatte sich ein LKW in einer Serpentine festgefahren und uns einen Mörderstau in diesem Tal verschafft. Gott sei Dank haben wir uns dazu entschieden sofort zu wenden und einen kleinen Umweg in Kauf zu nehmen und so dem Schlamassel auszuweichen, sonst wäre ich vermutlich einer Kernschmelze erlegen.
Dann lief es prima weiter - von einzelnen Schnarchnasen abgesehen.

1. Tankstop dann kurz vor Madonna di Campiglio.
Mein Gott! Da war die Hölle los! Je näher wir dem italienischen Winter-Mekka kamen, um so chaotischer wurde es!
An der Tankstelle gings zu wie auf einem Wühltisch beim Sommerschlußverkauf bei C&A. Wenn uns das Tankpersonal nicht Anweisung gegeben hätte, daß wir jetzt dran sind, hätte es Tote gegeben, denn wie die Hyänen stürtzte sich ganz Norditalien aus jeder Richtung auf diese Tanke, als gäbe es hier den letzten Sprit des Jahres.
Bloß schnell weg aus diesem Stress!

Ich hatte mich gerade beruhigt, als wir auf ein italienisches Moped-Duo aufliefen - eine CBR600F und eine Mille.
Ich dachte an rein Garnichts, als ich mich innerorts an die beiden anhängte.
Am Ortsausgang (auf einer Geraden) gaben die beiden Kit und starteten beachtlich zügig durch. Ich hatte überhauptkein Problem damit, nein, ich genoss es in tiefen Zügen, vom dumpfen Brüllen der Mille angeschrien zu werden.
Ach wie schön ist doch das Leben in Italien, wo einen die Mopeds noch ungefiltert ankreischen dürfen, daß einem das genussvolle Lächeln den Helm eng werden und das Biker-Herz erblühen lässt.
An der Honda blieb ich einfach dran. Bepackt oder nicht: DU SCHÜTTELST MICH NICHT AB! Ich bleibe aber gerne dahinter und werde versuchen mit meiner bepackten Lady an Dir dran zu bleiben. (GROSSER FEHLER!!!)

Wir düsten in sehr angenehm dynamischen Tempo auf eine Steigung zu und ich fragte mich wohl, was der Hondatreiber wohl gerade über mich und meine vollgestapelte alte Dame denken mochte, als wir uns der ersten Kurve mit 120 näherten. In dem Moment dachte ich mir noch: "Oh, das könnte bei dem Tempo der beiden Jungs lustig werden!", als vor mir die Lampe anging, die rote Lampe, DAS BREMSLICHT DER HONDA!!!
Während ich in die Eisen stieg hab ich mir noch gedacht, was diese Scheiße denn wohl soll??? Wie kann man denn 100m vor einer sanft ansteigenden Rechtskurve den Anker schmeißen, als hätte sich ein Abgrund aufgetan??? UND WAS ZUM GEIER IST DAS DENN FÜR EINE LINIE???
Auf vielleicht 50 runtergebremst fuhr der Typ beinahe auf dem rechten Seitenstreifen in die Kurve rein... Ich hatte schon Angst ich falle jetzt mitsamt meinem Bock um!
Ich sagte mir, daß der Typ irgendwie gepennt und sich wegen was auch immer erschreckt haben muß. Denn so fährt ja wohl kein Mensch - und schon garnicht ein Einheimischer!
Am Kurvenausgang wurde es wieder 5-stellig. Ah, er hat sich gefangen und ist aufgewacht. GUT!!! ABER, heute schlauer, dachte ich mir, halte ich mal etwas mehr Abstand.
Also zog ich gleich und war gespannt was uns wohl die erste ernstzunehmende Serpentine bringen wird.
JESUS!!! Was macht der Kerl denn da???
Genau das gleiche Spiel wie vorhin: Etwa 50m vor dem was ich Anbremspunkt nennen würde, zündet der Typ auf der äußersten Außenlinie, fast auf dem Mittelstreifen wieder die Bremsraketen, um dann knapp über Schrittgeschwindigkeit ganz kurveninnen durch die Kurve zu eiern, auf einer Linie, als gehöre dem Typen die Straße alleine und die ganzen Busse auf der Gegenspur wären nur reine Einbildung. Der Spak fuhr so ziemlich nur da, wo man es sich selbst unnötig schwer macht.
Und wieder hatte er mich so überraschend erwischt, daß auch ich dazu gezwungen war mein Schätzchen mächtig in die Hocke zu zwingen.
SO, JETZT REICHTS MIR!!!
Die nachfolgende Gerade war auch die Einflugschneise in die Gegenserpentine rechts steil bergauf. Also hatte ich vor dieser Rechtskurve genug Zeit mich zu fangen, mir den weiteren Streckenverlauf im kommenden Steilhang anzusehen und um auf MEINE Idealangriffsgeschwindigkeit zu beschleunigen. Wie bescheuert der Rooky (das musste er tatsächlich sein) Kurven anfährt wusste ich ja jetzt. Wenn sich das beobachtete Schauspiel zum dritten Mal wiederholt, bekommt er jetzt ein wenig Anschauungsunterricht verpasst.
Und so sollte es dann auch sein!

Ich wußte jetzt wo er beim Gewaltanbremsen stehen musste, bevor er im Zick-Zack nach innen doktern würde. Nur diesmal bremste ich nicht und lief sofort auf ihn auf! Wie auf Befehl zog er gerade noch rechtzeitig, bevor ich ihn angeschoben hätte, nach Innen und öffnete mir das kurvenäußere Fenster zur Ideallinie.
Ich hatte schon Angst daß er mit dem Ellenbogen an die Leitplanke stößt, als ich doch ziemlich ungebremst in meinem Point-Of-No-Return kurveneingangs, auf der tatsächlichen Ideallinie, neben ihm einschlug und mich kurz darauf in die Kurve warf.
Mir wurde schlagartig klar, daß ich gerade einen Kurvenspeed hatte, daß selbst ich jetzt eigentlich das Knie auf den Boden bringen könnte, wenn ich wollte - oder meine leicht überstehende Packrolle - was ich nicht wollte. :twisted: Um darüber nachzudenken hatte ich aber keine Zeit, denn jetzt war ich zwar nicht am Limit, aber mit bepacktem Moped eindeutig jenseits der Wohlfühlgeschwindigkeit bzw. -schräglage! Jetzt sollte besser nichts Unplanmäßiges passieren! :roll:
Was ich zuvor nicht gesehen hatte: Die nächste Serpentine kam sofort hinter einer Kuppe in die Gegenrichtung!
Ich hoffte, daß es reichen würde, schnell genug wieder nach außen zu kommen, damit ich nicht gleich geradeaus durch die nächste Kurve fahren würde.
Aber alles klappte wie auf Bestellung. Ich flog perfekt kurvenaußen an dem Penner vorbei, schnitt ohne ihn oder sein "Reisetempo" zu gefährden vor ihm wieder auf die Außenseite, um mich sofort wieder nach links in die nachfolgende Gegenkurve fallen zu lassen, ohne die Ideallinie zu verlassen, den Speed unplanmäßig zu senken oder das Gas zuzumachen. All das innerhalb ein paar Sekunden, im ersten Gang, bei 5-stelligem ZXR-Geschrei. Auf der dann folgenden Geraden - den Hahn noch immer voll offen - hatte ich Gelegenheit nach unten, in den Übergang zur 2. Kurve zu blicken und zu sehen wie er mir wie vom Winde verweht hinterherblickte. Für ihn muß es so ausgesehen haben, als ob ich das hier jeden Tag veranstalten würde. Aber mein Puls verriet mir, daß mir auch eine Portion Glück dazu verholfen hatte, hier eine bühnenreife Vorstellung gegeben zu haben.

Während sich mein Herzschlag wieder normalisierte und ich den Spaß an den Ereignissen genoß, flog ich weiter durch die nächsten Serpentinen und schraubte mich weiter nach oben den Passo Campo hoch, als plötzlich am Kurvenausgang ein weiterer Vollpfosten auf der Ideallinie stand - ja STAND!
Aha, der zweite Spezialist des Tages: Die zuvor erwähnte Mille samt Reiter wartete auf ihr Gefolge!
Als er mich sah und erkannte, daß ich nicht sein Kumpel und daher bedeutend zügiger unterwegs war, riß es ihn förmlich in Fahrposition und er startete seine Göttin, als ob er ein Problem damit hätte, daß ich seinen Spezi verheizt habe. Ohne Rücksicht zog ich nach Innen und hackte auch an ihm vorbei, während sein V2 losblökte und ich beobachtete im Rückspiegel, daß er beim Starten fast nen Wheely hingelegt hätte.
Dann lief ich 2 Kurven weiter auf eine Dose auf, verlangsamte und der Heimvorteil der Mille schlug zu - oder diese Type hatte die Lust am Leben verloren.
In jedem Fall bohrte er an mir und dem Auto an einer Stelle in einer Steilhangrechtskurve und in einem Tempo vorbei, daß ich mir dachte, das war jetzt wieder mal ein italienischer Moment- auch im Leben dieses Italieners.
Na gut, Ehre, wem Ehre gebührt. Ja, soll er doch seinen Spaß am Touri-Ärgern haben. Am Sudelfeld hab ich den auch. Er hatte seinen aber nicht wirklich lange!

Nachdem auch ich an dem verängstigt dreinblickenden Rentnerpärchen im Auto auf einer überschaubaren Geraden vorbeigedröhnt war, lief ich auf Mr. Mille und einen Reisebus vor ihm auf. So nahe wie der an dem Bus klebte, konnte er unmöglich die nächste Kurve einsehen - ich von unten kommend aber schon!
Er mußte jetzt das Gleiche denken, wie ich zuvor von ihm, als ich meinen Geschwindigkeitsüberschuß ausnutzend, wieder fotogen auf Anschlag in Schräglage, an ihm und dem Bus vorbeischoss.

"Jetzt is aber gut gewesen!" dachte ich mir, reduzierte mein Tempo auf moderate Geschwindigkeit und nahm ruhig und ausgegelichen jede weitere Serpentine, um dann auf einer längeren Geraden auf Klaus zu warten.
Der kam dann auch relativ bald kopfschüttelnd um die Ecke und signalisierte mir bloß weiterzufahren, um dieses Duo hinter uns zu lassen. Offenbar hatte er Ähnliches erlebt.

Wenigstens Madonna di Campiglio selbst verfügt über eine sehr gut funktionierende Ortsumfahrung (unterirdisch durch Tunnel), so daß wir schnell und problemlos nach einem kurzen Orientierungsstop den Zenit des Verkehrschaos umfahren konnten. Unser Spezialisten-Duo wurde (Gott sei Dank) nicht wieder gesehen.

Die Straßen wurden kontinuierlich enger, schlechter und überlaufener. Die Parkplätze waren zur Mittagszeit überfüllt und es wimmelte von Wanderern und Ausflüglern. Man merkte einfach auf jedem Meter, daß wir ein Naherholungs- und Urlaubsgebiet erreicht hatten, so daß eine ambitionierte Fahrweise bei diesem Trubel nicht angebracht war.
Die Landschaft und damit die Schönheit dieser Strecke waren jedoch beeindruckend! Auf 1700m erblühte die Natur und es duftete nach Wald und Nadelholz als die traumhaft scheinende Sonne den dichten Wald erwärmte.
Als es wieder hinab ins Tal nach Dimaro ging, wurde der Duft hingegen unangenehm beißend! Es stank penetrant nach ausgeglühten Bremsen wenn man mal wieder auf einen der unzähligen Busse oder auf ein Wohnmobil auflief. Kein Wunder bei diesem Kurvengeschnörkel! Wirklich schade, daß man hier auf dem Motorrad nicht auf freie Straßen hoffen konnte.
Unten in Dimaro sagte ich zu Klaus, daß wir den nächsten einladend aussehenden Futterschuppen anfahren werden, damit ich wieder zu innerer Ruhe und Zufriedenheit kommen kann. Da es inzwischen nach 13:00 Uhr war und ich noch immer stocknüchtern war, war dieser Umstand (bei mir) ja nur natürlich.

Der Verkehr war nun erfreulich abgeflaut, da wir uns nun von den großen Touristengebieten und Städten entfernten. Weil unser Plan etwas gelitten hatte, wollte ich etwas Zeit gut machen und gab Stoff - jedenfalls wollte ich das! Unsere Strecke führte uns gerade bis auf knappe 1900m (Passo del Tonale) und mir fiel zum ersten Mal auf, daß man in dieser Höhe im 3. Gang schon mächtig Drehzahl benötigte, um in Bewegung zu kommen. Kam man mal unter 6500 1/min, war der 2. Gang von Nöten! Auf jedem weiteren Höhenmeter merkte ich, wie meiner Dame die Puste ausging und die Luft dünner wurde. Und dünner und dünner und ...
Hey, ja wasn das? GEIL!
In irgendeinem Kaff drängelte sich innerorts etwas vor mich, was mich dann doch mal ganz kurz hypnotisierte.
Zuerst dachte ich noch: "Wieder ne 600-er Honda!"
Diesmal wars ne RR. Was dann meinen Blick fesselte war aber nicht das Bike und auch nicht der unter dem Heck sitzende, leere Arrow, durch den man bis in den Luftfilter kucken konnte, nein, es war der Sozius!
(Krümel möge mir verzeihen!)
So was von einem Knackarsch, enge Jeans, schmale Taille und ein streng gebundener blonder Zopf, der bis in die brachliegende Kimme im "Luftspalt" zwischen Lederjäckchen und Jeans, ihres "Arschdekoltées" gereicht hätte, wenn sie nicht ein Jetbag auf dem Rücken gehabt hätte. Wenn Gott wirklich ab und an Ärsche selber formt - dieser war von Meisterhand geschaffen!
Boah Leute ... Eine Hammerkeule hatte sich da hinter dem Fahrer auf dem Sitzbrötchen zusammengefaltet. *SEUFZ*
Das änderte aber auch nichts daran, daß sich der Fahrer, der aussah, als hätte er sich gerade ne frische Rüstung beim Louis geholt, wohl auf die Kleidung seines Schnittchens rücksichtnehmend außerorts nur unwesentlich schneller bewegen wollte, als innerorts. Aber mein Tempo war mir gerade ziemlich wurscht! Ich brauchte eine ganze Weile bis mir das auffiel, da Klaus 2m hinter mir in meinem Rückspiegel erschien.
Na gut, wenn ich jetzt schon vorbei muß, sorge ich doch gleich für einen gebührenden Abschied: Also lud ich 2 mal durch und blies vor einer Rechtskurve so laut es ging (und das ging hervorragend! :twisted: ) ins Horn und prügelte ohne Vorwarnung an Ritter Kunibert und seinem Burgfäulein vorbei.

Und so schwebten wir weiter in Richtung Ponte, von wo es dann wirklich über den Passo di Gavia ans Eingemachte gehen sollte.
Zuvor kamen noch einige ampelgesteuerte Baustellen, die den Weg zur nächsten sehnlichst erwarteten Futterkrippe verlangsamten.
Dafür kam aber in einer Warteschlange Kunibert nebst Pfirsich-Knackarsch nochmal vorbei. Da Klaus außer Sicht war und sich nicht durch die Warteschlange an einer dieser Ampeln quälen wollte, lies ich die beiden samt einer BMW und sonders einem 600-er Roller ziehen.
Ein paar km weiter erreichten wir dann schließlich den Außenposten der Zivilisation in diesem Tal - Ponte.

Mein Gott, wie sah es hier aus?
So schön Madonna die Campiglio mit seinen urigen Hütten und Hotels war, so kam es uns hier vor in einer russischen Bergwerks-Beton-Plattenbau-Siedlung gelandet zu sein. Wie kann man nur??? WIEDERLICH!!!

Meine volle Blase und mein Magen zwangen mich inzwischen dazu endgültig gewisse Bedürfnisse zu befriedigen. Auf einem großen Platz mit Kriegerdenkmal erblickte ich einen Schwarm Motorräder vor einer Kneipe. Also folgte ich meinem Instinkt und stellte mich dazu, voll der Hoffnung eine Biker-Kneipe gefunden zu haben.

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Naja, mein Magen hatte sich etwas Besseres als ein überbackenes Panini erhofft, dafür war die Aussicht (ohne Betonbauten im Blickfeld) wirklich ...

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Schlagartig besserte sich die Stimmung und mein Panini war dann doch nicht so schlecht wie anfangs befürchtet. Während ich noch kaute ...

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... war Klaus auf der Suche nach dem Schlingel ...

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der ihm die letzten Reste seines Profils geklaut hatte:

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:loldevil:

Wird Zeit daß wir weiter kommen und er diese Leiche zu Grabe tragen kann! :wink:

Frisch gestärkt und mit leeren Blasen machten wir uns wieder auf den Weg - ohne auch nur zu erahnen, was uns auf unserem Weg über den Gavia-Pass erwartete.
Daß die Straßen in Italien mit anwachsender Höhe schmäler und buckliger werden, ist uns inzwischen nun wirklich vertraut. Daß wir zum ersten Mal mit einer ZXR deutlich höher wollten, als jemals eine uns bekannte Person zuvor, wußten wir auch - das war ja der besondere Anreiz für uns, da ja schon auf dem Großglockner, mit seinen 2400m, Einigen unter uns der Spaß bereits vergangen ist.
Nachdem es erst nochmal ein Stück bergab gegangen war und der Leistungsverlust in dieser Höhe hier nicht auffiel, vergaß ich beinahe wie hoch wir bereits waren. Beinahe hätten wir die Abzweigung verpasst und nach einer weiteren Senke ging es sofort steil bergauf - anfänglich auf noch "normalen" Straßen. Bald hatten wir unsere bisherige Tagesmaximalhöhe überschritten und es wurde langsam wirklich Arbeit, unsere Böcke bei Laune zu halten.
In irgendeinem Kaff, am denkbar schönsten Arsch der italienischen Bergwelt, folgte ich, umringt von 3000-ern, einer Beschilderung rechts ab und zweifelte anfangs, daß dies unser Weg sein sollte. Ich rechnete eine ganze Zeit damit auf irgendeinem Bergbauernhof, in einer Sackgasse zu landen.
Ich brauchte einige Kilometer, um von der Meinung abzukommen mich verfahren zu haben und tatsächlich auf dem richtigen Weg zu sein: Das war der Gavia-Paß!!!

Die Straße wurde bald so schmal, eng und bucklig, daß ich fest davon überzeugt war, daß eine ZXR nicht für alle Straßen tauglich ist und auf dieser definitiv ganz falsch war. Die Straße hatte keine 2m Breite und die Haarnadelkurven machten ihrem Namen alle Ehre. Das erste Mal in meinem Leben schlug ich beim Durchfahren einer Kehre am Lenkanschlag an und kämpfte auf dem Moped stehend und balancierend um das verbliebene Gleichgewicht, bereit sofort abzuspringen und die Maschine aufzufangen, wenn sich das röchelnde Ding verschluckt und einfach abwürgt. Es wurde immer anstrengender durch diese Kehren zu kommen, da ich feststellte, daß mein Motor einfach ausging, wenn man ihn nicht auf Drehzahl hielt. Jede neue Kurve wurde eine Herausforderung, da einfach kein Drehmoment mehr abrufbar war!
Erschwerend kam hinzu: Es gab keinen Straßenrand, keine Leitplanken, keine Begrenzungspfähle! Auf der einen Seite blanker Fels, auf der anderen der freie Fall! Ich war erleichtert mir diese Strecke für den Rückweg aufgehoben zu haben. Ohne das Training der letzten Woche wäre ich wirklich überfordert gewesen. Jedenfalls wurde auf dieser Strecke mein persönliches Limit meiner Fahrkünste neu manifestiert - schlimmer kann es für mich auf der ZXR nicht mehr werden. An Klaus dachte ich in diesen Momenten garnicht - dazu wahr ich viel zu sehr mit mir selbst und meinem beladenen Moped beschäftigt.
Ein Gedanke drängte sich jedoch in mein Bewußtsein: Was täte ich, wenn Krümel jetzt irgendwo hinter mir wäre?
Klare Antwort: Ich würde vor Angst um sie keinen Meter mehr weiter kommen!
Ich war HEILFROH daß sie hier nicht dabei war - auch wenn ich mir die letzten Tage regelmäßig gewünscht hätte mit ihr hier Kurven zu fressen! Ich war froh außer Klaus NIEMANDEN dabei zu haben, um den ich mir Sorgen machen müsste!
Wenn ich dermaßen zu kämpfen hatte und arge Zweifel in mir aufstiegen, ob das was ich da tat wirklich noch mit dem Begriff "Verantwortung" in Einklang zu bringen war, wie würde es ihr wohl jetzt ergehen, oder jemandem der Berge und Kurven nur von Postkarten kennt? Dieser Pass war das härteste Stück Teer, das mir in 17 Jahren 2-Radfahren begegnet ist! Mein Gott, wer um Himmels Willen hat aus welchem Grund hier diese Straße gebaut??? Die Antwort kam ein paar Schweißperlen später.
Ich verschwendete keinen Gedanken ans Aufgeben! Dieser Paß wird geknackt! Egal wie fertig ich oben ankomme: Der Weg zum Gipfel ist das Ziel!
Irgendwann kam ich mir wieder vor, wie bei Herr der Ringe: Hinter jeder Kurve rechnete ich mit einer Horde Orks! (Jaja, die dünne Luft ...!)
Hier oben ist eine andere Welt! Unbeschreiblich für jemanden, der noch nicht hier oben war! Irgendwann ging es tatsächlich mal ein paar Meter geradeaus und in einer kleinen Niesche vor einer Serpentine hielt ich an.
Es war, als würde ich zum ersten Mal seit Ewigkeiten die Augen öffnen und was ich sah war ... UNBESCHREIBLICH!!!

Wir hatten die Baumgrenze bereits überschritten und waren noch immer nicht oben! Der Weg stieg weiter unerbittlich an.

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Mir fiel auf, daß ich klatschnass geschwitzt war und keuchte wie ein alter Greis! Aber was ich sah erfüllte mich mit reinster Euphorie! Nachdem ich wieder zu mir gefunden hatte, trieb ich mich an weiter zu kommen, höher, ganz hinauf! Ich wollte ganz nach oben und auf die Schönheit dieser Welt herabblicken. Also rappelten wir uns wieder auf und nahmen die letzten Kurven, so daß wir hier dem Himmel nicht mehr näher kommen konnten.
Als ich erkannte, daß wir nun den Eingang eines Hochplateaus erreicht hatten und auf die andere Seite mussten, hielt ich nochmals an. Ich glaube ich konnte nicht mal mehr den Helm abnehmen...

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Es war so wunderschön! So erschlagend, so überwältigend! Ich kam mir sowas von winzig klein und unbedeutend vor ... Ich kanns echt nicht beschreiben! Klaus schaffte es nicht einmal mehr von seinem Bock und war, wie ich, von dem was wir sahen sprachlos, ergriffen und hypnotisiert - erschlagen!

Kaum hatten wir die nächsten Kurven durch- und die letzten Hügel umfahren, hatten wir es geschafft! Wir hatten das Hochplateau auf 2621 Höhenmeter erreicht! Und ich hatte gerade keinen Gedanken frei, um mir bewußt zu werden, daß wir in Kürze nochmal 150m draufpacken werden!
Ich empfand es als eine unbeschreibliche Erleichterung 3 km fast geraden Asphalt vor mir zu haben - ein vollkommen ungewohntes Fahrgefühl!
In dieser Höhe ist Mopedfahren wie Fliegen! Ich glaube ich hatte so knapp über 100 auf der Uhr, als ich mir bewußt wurde, daß hier oben auch in dieser Hinsicht eine ander Welt bestand und andere Regeln und Gesetze galten!
Man spürt und hört den Fahrtwind nicht mehr! Keine Widerstand, keine Kräfte die an einem zerren! Man schwebt einfach nur! Nichts kann einem hier oben etwas anhaben! Hier ist alles wie es überall sein sollte! Hier oben ist man frei, frei wie ein Vogel, als könne man fliegen... Ich bekam mein Grinsen kaum mehr unter Kontrolle! :rasta: (VON WEGEN!!!)
Und es öffnete sich ein Tal vor uns ...

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Ich kann mir gut vorstellen, wie durchgeknallt sich das für Euch anhören muß, aber ich stand so dermaßen unter körpereigenen Drogen, ich schwamm förmlich in Adrenalin und Endorphin! Ich war sowas von high und körperlich am Ende, daß ich garnicht mehr weiß, wie wir von da oben wieder runter gekommen sind.
Aber irgendwie muß es wohl geklappt haben, denn nur ein paar Kilometer weiter landeten wir wieder volle Granate im Touri-Getümmel, als wir uns auf dem Weg zum Finale - zum Stilfser-Joch - im denkbar dicksten Verkehr wiederfanden (und mir bald wieder eine Hasskappe zwischen Helm und Kopfhaut wuchs!). Stau in Bormio auf knapp 2000m - welch Hochverrat an den bisherigen Erlebnissen!
Klaus muss es ähnlich gegangen sein, denn jetzt hatten wir beide das Messer zwischen den Zähnen! Wir wollten wieder hoch, in diese ander Welt! In die Welt der Freiheit und des Friedens!
Auch wenn unsere Mädels nicht mehr die sonst gewohnte Power hatten, sie hatten allemal genug für all die lahmen, stinkenden Busse und Familienkutschen, die auf dem letzten Loch pfeifend verzweifelt nach Sauerstoff rangen, um die sich bereits in Sichtweite befindlichen Serpentinen auf den Gipfel in Angriff zu nehmen. Graue Gesichter starten uns an, als wir kreischend wie die Furien die hier zweispurigen Kurven vergewaltigten. Jetzt wars vorbei mit der Ruhe und dem Idyll der Berge - JETZT KAMEN WIR! (UND WIE!!!) Und der ganze Berg sollte erbeben und bis in seine Fundamente erschüttert werden als er von uns attakiert wurde!
Der Anspruch dieses Anstiegs war für alle Fahrzeuge eine Herausforderung, aber bei dem was hinter uns lag ganz sicher nicht für uns! NICHT FÜR KLAUS, NICHT FÜR MICH, NICHT FÜR EINE ZXR!
Den ganzen knipsenden Opis entgleisten die Gesichtszüge, ich weiß nicht wie viele angewiederte, kopfschüttelnde Gestalten unserem Kondensstreifen hinterher blickten ... ES WAR MIR EGAL! DIE FESTUNG DES STILFSER-JOCHS WIRD FALLEN!!! DENN HIER KOMMEN WIR!
Jeder Meter Aspahlt ohne Gegenverkehr war eine Abschußrampe! Ich glaube ich habe noch nie in meinem Leben in so kurzer Zeit soviele Überholpunkte gesammelt, wie auf diesem Höhenflug! Jetzt gaben wir wirklich alles, mobilisierten die letzten Reserven, von uns und unseren Motorrädern.
Wir hatten es fast bis oben geschafft, als ich bemerkte daß bei voller Fahrt das Kühlgebläse anging und sich mein Temperaturzeiger warnend wie ein Zeigefinger erhob. Aber da meine Lady und ich die letzten Kurven vor der Valhalla bereits vor Augen hatten, konnte uns das nicht bremsen.
Es muß ein wahrhaft göttliches Bild gewesen sein, als wir mit 12.500 Touren durch das Tor zum Paradies, in Richtung Gipfel flogen, wie die Furien aus der Hölle beim Sturm auf den Sitz der Götter!
Und dann sah ich es ...

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SIEG!
Ich fuhr nochmal kurz an, lies mich ausrollen und landete auf dem Platz der Tapferen, der Sieger, der Glorreichen!
Ich kann Euch garnicht vermitteln, was hier oben für eine Stimmung herrscht! Welches Glückgefühl hier jeder empfindet! Man fühlt sich, als könnte man dem lieben Gott die Füße küssen! Jeder hat ein Leuchten in den Augen, jeder weiß was er geleistet hat, jeder möchte vor Übermut am liebsten Platzen und jeden umarmen!

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Ich saß gute 10 Minuten auf meinem Mäuerchen und ordente meine Gedanken. Irgendwie wusste keiner von uns, was er nun tun sollte, denn die größte aller Herausforderungen dieses Urlaubs hatten wir gemeistert! 2.760 gottverfluchte Höhenmeter, mit einem 15 Jahre alten Bock, der für die Rennstrecke gebohren wurde... Um uns rum NUR Mopeds auf neuestem Stand, mit Einspritzung und anderen Gehhilfen oder irgendwelche Hubraummonster, die ganz sicher nicht über den Gavia-Pass vor das Tor zum Himmel getreten sind...
Auch wenn ich es ansonsten affig finde, diesmal hatte ich das unbändige Bedürfnis nach einem Andenken, einem Leckerli, EINEM VERDAMMTVERDIENTEN ORDEN! Und ich wurde fündig:

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Jetzt war alles getan! Ich war durch und durch glücklich und zufrieden und auch ein klein Wenig stolz auf mich und meine ZXR. Mir gingen die vergangenen 2 Jahre und die ewigen Schwierigkeiten mit meinem Bock durch den Sinn. Welche Wut hatte ich auf das Ding, wie bitter enttäuscht war ich, wie sehr sehnte ich mich nach meiner Twin zurück. Aber jetzt...
Sie hat mich nicht verlassen. Sie hat mich nicht hängen lassen, wie das Jahr zuvor, sie hat mir zur Seite gestanden, mit mir den Himmel erobert, wie ein bester Freund. Sie hat sich durchgekämpft, sie hat mich zum Sieg geführt, sie hat mir eine Ehre erwiesen! Was habe ich sie geschunden, was habe ich ihr abverlangt? Aber sie hat alles hingenommen, sie hat alles getan, was ich von ihr wollte! Ich habe sie gezähmt, jetzt gehört sie mir! (Oder doch umgekehrt?)
Jetzt weiß ich, daß ich mit ihr auch durch die Hölle reiten werde, wenn uns unser Weg dorthin führen sollte!
Ich war so stolz - auf sie, auf mich, auf uns! Und auch Klaus konnte nicht aufhören darüber zu sprechen, daß wir 4 etwas Ungewöhnliches geschafft hatten, etwas Besonderes, das nach unserem Kenntnisstand, noch keiner vor uns auf diesem Bike in Angriff genommen hatte. Es werden noch viele kommen und vielleicht waren auch schon welche da. Aber wir fühlten uns wie die Ersten!

Und wie ich so über mich, meinen Stolz und mein Moped sinnierte, stieg mir ein Duft in die Nase. Ein Duft wie ... GÖTTLICH! Egal was es war - DAS MUSSTE ICH HABEN!!!
Ein Typ wie aus einem Heimatfilm (Heidi?) mit Schlapphut und gebräuntem Gesicht stand vor einem kleinen Grillwagen und brutzelte etwas, das mich magisch anzog, mich verführte ... Südtiroler Bratwurst auf geröstetem Brot! (Ich schlucke auch jetzt schon wieder im Leerlauf, wenn ich daran denke!) Also stiefelte ich los, um mir mein Heldenmahl zu holen! Und wie geil das Ding war! Dort oben mutiert jede Banalität zu einem Wunder - dem ich mich gerne und voller Genuß hingab. Klaus durchstöberte derweil noch ein paar Souvenirläden.

Dann wurde uns klar, daß es bereits auf 16:00 Uhr zu ging und wir noch geschmeidige 300 km nach Hause hatten. Also sahen wir uns noch ein letztes Mal um, bevor wir uns auf den Weg zurück in das normale Leben machen mussten und ritten los.

Melancholische Gedanken quälten mich auf den ersten Metern, so daß ich das Absterben meines Motors der dünnen Luft zuschrieb und nicht begriff, daß ich meinen Seitenständer noch draußen hatte, der sich bei der ersten leichten Neigung in den Linksbogen, der ins Gefälle führte, knirschend im Asphalt verbiß. Ein kurzes Rucken und er war da, wo ich ihn vorher schon hätte platzieren sollen.
Na das wäre es jetzt gewesen! Klaus war zu dem Zeitpunkt vor mir und bekam es nicht mit. :oops: Das hätte Mägga vom Meistä gegeben ...
Gott sei Dank ist nix passiert. Jetzt hab ich sie gerade so gelobt und dann passiert mir sowas ...

In jedem Fall kam mir der Übergang in die Serpentinen nach unten wie der Startbock einer Ski-Sprungschanze vor. Auch wenn der Aufstieg einen Höllenspaß gemacht hatte: Die Straße auf dieser Seite - also der nördlichen - erinnerte mich stark an Strecken, die bereits hinter uns lagen.
Der Teer war GROTTENSCHLECHT, von Schlaglöchern übersäht und bedeutend enger als die 2-spurige Landebahn auf der Südseite.
Hier war wieder Arbeit angesagt. Und das was ich sah verriet mir, daß es ein Weilchen dauern wird, bis wir unten sind.
Hier bekam ich Respekt vor den Busfahrern, die sich hier hochquälten - bzw. runter. Wir hatten natürlich keine Probleme, auch wenn ich langsam in den Armen und Schultern merkte, daß sie am heutigen Tage bereits einiges geleistet hatten.
Etwa bei Halbzeit der Hauptsteigung hielt ich einfach mal an und blickte zurück:

Da kamen wir her:

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Und da müssen wir noch hin:

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Die Augen links:

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Und so sieht das Ganze von ganz unten aus:

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Und so kamen wir zurück in die Zivilisation, auf langweilige, breitausgebaute Straßen, mit vielen Autos ... *SEUFZ*
Naja, es muß halt sein.

Wir hatten, als wir das erste mal unseren Heimweg planten, allen Ernstes vor, jetzt nochmal nach rechts abzubiegen und über Meran das Timmelsjoch in Angriff zu nehmen. :hammer: Aber nach dem was wir bereits hinter uns hatten und zu dieser fortgeschrittenen Stunde, wäre das wohl völlig bescheuert gewesen. Aber wir kommen ja wieder ... Auch wenn die Ösels uns dafür 11€ aus der Tasche ziehen werden: Das sind wieder geile 2500m, die zu erobern sind - nächstes Jahr!!!

Schnell wurde die Natur um uns herum gewohnt unspektakulär - ebenso wie die Straße Richtung Reschenpass.
Mit jedem weiteren Meter, der uns näher an die Heimat heranführte, wuchs meine Unlust!
Morgen darf ich nochmal ausschlafen, dann Auspacken, Klamotten sortieren, Waschen, nochmal Pennen und am Montag... FUCK!!!... ARBEITEN!!!
Diese Gedanken beschäftigten mich über Kilometer! Nicht vielleicht doch noch schnell zum Timmelsjoch?

Und dann wäre es beinahe passiert!
In einer Ortschaft leuchtete mir die tiefstehende Sonne zwischen den Häusern in einem chaotischen Raster und so unglücklichen Winkel ins getönte Visier, daß ich immerwieder geblendet wurde und kaum mehr sehen konnte, was sich vor mir tat. Vor einer Ampel sah ich dann im definitiv ALLERLETZTEN MOMENT das stehende Auto vor mir.
Mehr aus Reflex, als durch Kontrolle griff ich derart in die Eisen, daß mein Vorderrad sich wiederwillig aufkreischend in den Asphalt krallte und mein Heck sich samt Packrolle und mir ein gehöriges Stück erhob!
20 cm hinter dem Auto kam ich zum Stehen. All das realisierte ich erst als ich stand und mein Puls in meinem Kopf auf die Alarmglocke hämmerte. Ich habs echt nicht gesehen, obwohl ich garnicht so unaufmerksam unterwegs war, da wir weiterhin durch ununterbrochene Überholmanöver von Schnarchtüten und Wohnmobilen zur Konzentration gezwungen waren.
Klaus hatte all das von hinten beobachtet und zog es ins Lustige. "Hey, Dein erster Stoppy! Krass!!!" Aber mir war alles Andere als zum Lachen zu Mute, mir ging die Düse bis nach ...
Das war dann der Punkt, an dem ich entschied zu akzeptieren, daß man irgendwann etwas mehr Ruhe in den Fahrstil bringen sollte, auch wenn wir die ganze Zeit alles unter Kontrolle hatten und ohne übermäßige Risikobereitschaft unterwegs waren.
Da der Reschensee unmittelbar vor uns lag, der Tank fast leer war und wir noch das "Ösi-Pickerl" für die Dosenbahn bis hinter Innsbruck benötigten, war das auch nicht weiter schlimm. Nein, es war beinahe göttliche Fügung genau hier vom Gas zu gehen!

Wir hatten noch keinen österreichischen Boden befahren, da standen wir auch schon unter schärfster Beobachtung!
Unmittelbar hinter dem von Weitem einsehbaren ehemaligen Grenzposten, sahen wir dahinter eine Tankstelle samt Kiosk. Auf Geschwindigkeitsbegrenzungen haben wir seit Tagen nicht mehr geachtet und nur durch den Umstand, daß wir diesen Sprithafen anlaufen mussten, rollten wir mehr als wir fuhren über die Grenze - unter anderem auch an einem Bushäuschen vorbei. Und da standen sie, die touristenfreundlichen Schandis und leuchteten mit der Laserpistole, über die Landesgrenze hinweg, uns entgegen...
Von "Schwein gehabt!" will ich ja garnicht sprechen, aber ... GEHTS NOCH??? Ich bin noch nicht mal bei den Pennern angekommen und muß schon um meinen Lappen bangen???
Das Schild "Willkommen in Österreich" hätte ich den Jungs am Liebsten in die Fresse gehauen! Boah, was hatte ich nen Hals!

Also, schnell getankt, eine Flasche Wasser und eine Tafel Schokolade vernichtet, den Idioten-Papper gekauft und auf das Ram-Air geklebt und los gings Richtung Landeck und dann weiter auf die Autobahn Richtung Innsbruck.
Das waren für mich die härtesten 150km dieser Woche. Kaum hatten wir die Schnellstraße vor Landeck und die ersten Meter auf der Autobahn hinter uns gebracht, als wirklich mein ganzer Körper anfing zu schmerzen und zu brennen. Mit konstant 140 km/h cruisten wir dahin, während sich erst mein Nacken, dann meine Schultern und schließlich meine Beine verkrampften. Ich konnte einfach keine Sitzposition mehr finden, die ich als erträglich empfunden hätte. Diese paar Kilometer zogen sich ewig! Lediglich der ein oder andere Tunnel sorgte für ein wenig Spaß!
Klaus Shark-Endtopf hatte ja schon immer einen guten Sound. Aber er begann jetzt in jedem Tunnel die Tonlage aufs neue zu testen. Und als ich mich hinreißen ließ das Spielchen mitzumachen und dabei auch darauf zu achten sein Drehzahlniveau exakt zu übernehmen, stellte sich heraus, daß nicht nur mein Sebring im Vergleich zum Start vor einer Woche deutlich an Schalldruck gewonnen hatte, nein, das stimmgewaltige Duett unsere Damen sorgte für Gänsehaut! Geil! Resonanz im Tunnel ... wie gerne hätte ich das von außen gehört!

Bei Jenbach durften wir endlich von der Drecksautobahn runter und ich führte uns über einen Schleichweg hoch zum Achenpass. Am Ufer des Achensees pausierten wir gegen 19:00, bei den letzten Sonnenstrahlen des Tages kurz auf eine Zigarette und ein paar Schokoriegel, informierten den Heimathafen über die baldige Ankunft und starteten zum letzten Tankstop vor der deutschen Grenze.
Jetzt wurde es auch langsam Zeit heimzukommen, da ich mit meinem getönten Visier langsam in Schwierigkeiten kam.
Bei der letzten österreichischen Tanke füllten wir zum letzten Mal unsere Kessel und fuhren, vorbei am Tegernsee, meiner Heimat entgegen.
Kurz hinter dem Tegernsee ereignete sich, vermutlich zufällig, das letzte Tages-Highlight.
Als wir den Ortsausgang von Dürnbach erreichten, hörte ich wie sich Klaus etwa 50m vor dem Ortsschild "ganz zufällig" in den zweiten Gang verirrte und hinter mir die Drehzahl hielt.
Aha! Ok! :twisted:
Er näherte sich ganz langsam von rechts hinten. Also zog ich nach links, lies ihn neben mich ziehen und schaltete ebenfalls runter. Zwei gleiche Mopeds, zwei gleiche Übersetzungen, zwei beknackte Typen, eine Drehzahl - alles klar!
Exakt am Ortschild von Dürnbach ereignete sich am Abend des 24. Augusts a.d. 2007 ein Attentat auf den bayrischen Weltfrieden.
Der Wahnsinn! Wir ließen sie los, wir haben sie sowas von losgelassen, angetrieben, abgeschossen! Uns gelang ein Synchronstart, daß Paolo in Foxi noch gehört haben muß, daß wir beinahe unsere Heimat erreicht hatten!!! Wir quetschten in perfekter Harmonie und Formation den 2. Gang bis aufs Letzte aus und unsere Schallschleppe schob uns bis in die nächste Ortschaft. Boah, wie geil! Ich möchte nicht wissen, wer da alles mit schmerzverzerrtem Gesicht in Deckung gegangen ist...
10 Minuten später, um Punkt 20:00 Uhr waren wir bei mir zu Hause.

Jetzt war es vorbei ...

Beim Absteigen merkten wir beide, was wir hinter uns hatten. Beim Entladen unserer Mopeds hatten wir schon Blei in den Gliedern und auf der Treppe in den 2. Stock, kam mir das Treppenhaus wie ein Kirchturm vor.
Krümel und Christian, unser Nachbar, erwarteten uns bereits. Der Tisch auf dem Balkon war wunderschön gedeckt und in der Pfanne brutzelten 4 fette Steaks - GENAU DAS, WAS WIR NACH DIESEM TAG BENÖTIGTEN!
Nach einer herzlichen Begrüßung und der Übergabe meiner Mitbringsel an Krümel (ich hatte die perfekte Wahl getroffen!!!) merkte ich erst welchen Hunger ich hatte. Wir saßen in der Abeddämmerung und genossen unser Essen und das erste Weißbier nach einer Woche - und noch eins ... und noch eins ... und ...

Als ich dann später im Bett lag, lies ich die vergangenen Tage nochmal vor meinem geistigen Auge vorbeiziehen.
Wir waren lediglich 6 Tage unterwegs, aber der Erlebniswert sprengte alles! Ich hatte wirklich Schwierigkeiten mich an jede Einzelheit zu erinnern. Daher habe ich diesen Bericht nicht nur für Euch, sondern auch für mich niedergeschrieben. Vor allem dieser letzte Teil hat das Fernweh in mir entzündet! WAS EINE GEILE WOCHE! Und wenn Ihr schon beim Lesen schwitzige Finger bekommen habt... Es ist nur ein müder Abklatsch von dem was wir erlebt und empfunden haben!

Zum endgültigen Schluß möchte ich mich herzlich bedanken! Bei Euch allen, die einen wesentlichen Teil dazu beigetragen haben, diesen Monsterbericht zu tippen, aber vor allem bei Klaus der den ganzen Blödsinn mitgemacht und miterlebt hat!

Dies war eine der mit Abstand schönsten Wochen meines motorisierten Lebens - aber ganz sicher auch eine der Härtesten! ;)
Woher soll ich wissen was ich denke, wenn ich nicht lese, was ich schreibe?

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Grammatik gelernt bei Yoda Du hast???

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Börni
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Beitrag von Börni »

Danke für die Morgenlatte, Tie 8)
Wat is das ne geile Gegend dort, würde ich ja zu gerne mal live sehen!

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Tie
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Beitrag von Tie »

Woher soll ich wissen was ich denke, wenn ich nicht lese, was ich schreibe?

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Grammatik gelernt bei Yoda Du hast???

zric

Beitrag von zric »

bin noch nicht fertig mit lesen.....aber geil!!!!!!!!!!

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Klaus69
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Beitrag von Klaus69 »

@Tobi: Ich brauch Urlaub :P

Immer wieder eine meiner geilsten Erinnerungen was das Mopped fahren angeht!

Der Tag wird kommen und dann ist es wieder soweit... :!:
Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.
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Suzana

Beitrag von Suzana »

sehr schöner Bericht Tobi und die Fotis sind auch nicht ohne :wink:
Wie lange hast Du denn gebraucht um das alles so ausführlich zu verfassen?

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conni70
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Beitrag von conni70 »

Er hat immer einen Tag eingestellt und uns dann wieder warten lassen :wink:
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Es gibt immer Leute, die Recht haben:
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Gast

Beitrag von Gast »

Das sollte verfilmt werden. Ich hab Tränen gelacht. Tie, das ist super geschrieben!! Besser als Long Way Round und Long Way Down.

Ich hoffe ihr macht noch viele solche Urlaube und dazu die Reiseberichte..

Gruß

Markus

antanis

Beitrag von antanis »

Verdammich..... Jetzt hab ich glatt als Gast gepostet. Wie hat das den funktioniert?? :oops:

Gruß

Markus

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Frank zxr-fighter
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Beitrag von Frank zxr-fighter »

antanis hat geschrieben:Verdammich..... Jetzt hab ich glatt als Gast gepostet. Wie hat das den funktioniert?? :oops:
Ganz einfach, wenn der Admin vergisst die Forenrechte anzupassen :oops:
Ist aber jetzt geändert :wink:

Kitkat

Beitrag von Kitkat »

Hallo Tobi,

kenne Dich zwar nicht persönlich, aber an Dir ist ein Schreiber verloren gegangen. Ist ja nur geil, toll und ausführlich beschrieben, man kann sich das alles so plastisch vorstellen und mitfühlen......einfach super und sehr kurzweilig :D

muss ich mal loswerden und die Mühe das alles einzutippen :respekt:

Gruß Markus

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Klaus69
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Beitrag von Klaus69 »

Ihr habt keine Vorstellung was dieser reisebericht auch heute noch emotional in mir auslöst. Die Gegend um den Gardasee ist Motorrad mäßig wirklich das gelobte Land :!:

Letztes Jahr war ich ja mit Conni70 dort. Mal schauen ob ich den zugehörigen Bericht noch irgendwo ausgraben kann :-)
Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.
Benjamin Franklin, 1759

Schweißer

Re: Reisebericht Gardasee 07

Beitrag von Schweißer »

DANKE für diesen unglaublich GEILEN Bericht!
so geil geschrieben,super gemacht!

gruzz bernd

Eule

Re: Reisebericht Gardasee 07

Beitrag von Eule »

Teils atemberaubende Bilder und ein schöner Reisebericht :respekt:

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Tie
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Re: Reisebericht Gardasee 07

Beitrag von Tie »

Danke! :oops:

Daß das noch jemand liest... ???
Woher soll ich wissen was ich denke, wenn ich nicht lese, was ich schreibe?

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Grammatik gelernt bei Yoda Du hast???

Eule

Re: Reisebericht Gardasee 07

Beitrag von Eule »

Tie hat geschrieben:Danke! :oops:

Daß das noch jemand liest... ???

Sicher, warum denn nicht (auch wenn er schon etwas älter ist)? Neuuser werden deinen Bericht auf jeden Fall lesen und begeistert sein.
Als dein Reisebericht geschrieben wurde, war ich noch Sozia

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Frank zxr-fighter
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Re: Reisebericht Gardasee 07

Beitrag von Frank zxr-fighter »

Dem kann ich nur zustimmen, solch tolle Reiseberichte sollten in einem Buch verewigt werden.
Beste Grüße
Frank

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Terrini
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Re: Reisebericht Gardasee 07

Beitrag von Terrini »

Frank zxr-fighter hat geschrieben:Dem kann ich nur zustimmen.....Beste Grüße
Frank
Was denn, Du warst damals auch noch Sozia??

@Tobi
solche Berichte/Geschichten haben eine laaange Halbwertzeit, da eben Zeitlos :wink:.

Außerdem gibt´s Anregungen, sollte man auch mal in besagte Gefilde fahren - Danke dafür :prost:
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Kraft-Rad
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Re: Reisebericht Gardasee 07

Beitrag von Kraft-Rad »

Wow Tobi :respekt: Das ist einfach Klasse geschrieben. Das ist das beste was ich gelesen hab seit Holy Riegsingers Streetsurfing.Da nimmt man sich gern die Zeit alles genussvoll zu Lesen. Weiss nicht was Du beruflich machst, aber Journalist wäre nicht verkehrt. Mehr von sowas BITTE :!: :kniefall:
Endlich habe ich mit der ZXR die passende Partnerin für mein Auto gefunden! Diesel und Drehzahl! Der eine nagelt, die andere schreit! ;-)

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